Protest für internationale Zusammenarbeit & Agenda 2030 ist wichtiger denn je
2015 verabschiedete die Weltgemeinschaft die 2030 Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen und die Pariser Klimavereinbarung. Wir waren in einer optimistischen Aufbruchstimmung, überzeugt, die Weltgesellschaft und den Zustand des Planeten bis 2030 konstruktiv transformieren zu können.
In den letzten Monaten hat sich die Weltlage jedoch schlagartig verändert. Viele politische, sozioökonomische und umweltbezogene Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte, die zumindest im öffentlichen Diskurs zur Selbstverständlichkeit geworden waren, werden derzeit frontal attackiert. In Europa werden Freizügigkeit und das Recht auf Asyl unterminiert. Inklusion wird plötzlich hinterfragt. Frauen sollen nicht mehr über ihren Körper bestimmen können, wenn es nach der neuen US-Regierung ginge. In Vorreiterländern einer progressiveren Sozialpolitik – wie Brasilien oder Indien – werden die schwer erstrittenen Sozialleistungen nun sukzessive abgebaut. In den USA zweifelt die Regierung die Ergebnisse der Klimawissenschaft an. In den USA, China und auch in den europäischen NATO-Mitgliedsländern sollen Militärausgaben drastisch erhöht werden.
Auf dem Spiel stehen plötzlich Errungenschaften der letzten 50 Jahre. Denn: vor rund 50 Jahren begannen die europäischen Studentenbewegungen, die als „68er“ bekannt wurden. Sie waren eine Reaktion auf das Schweigen der Elterngeneration über Faschismus und Genozid, und ein Protest gegen den Vietnamkrieg. Und vor rund 40 Jahren entstand die “grüne” Bewegung, die im westlichen Europa dem Bau von AKWs trotzte, und im östlichen Europa eine fundamentale Kritik an der Umweltzerstörung einläutete.
Beide Strömungen des Widerstands gegen einen ungerechten status quo hatten weitreichenden Einfluss - auf das Selbstbewusstsein, das Konsumverhalten, das Verständnis von politischer Ökonomie, die europäische Sozialpolitik, bis hin zur „Wende“ von 1989/90 - die Wiedererlangung der Souveränität in vielen Ländern Osteuropas.
Mit dem Ende des kalten Krieges erlebten die Vereinten Nationen eine Renaissance. Es gab eine konstruktive Kette von menschenrechtsbezogenen UN-Gipfeln – zu Frauenrechten, sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Kinderrechten, Jugendpolitik, zum Recht auf Bildung und Recht auf Nahrung, und gegen Rassismus - um nur einige zu nennen. Indirekt, so könnten wir das sehen, knüpften diese Gipfel an die Ideale der „68er“ und grünen Protestbewegungen an. Die Visionen zu Friedenspolitik, sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit, und Frauenrechten spiegeln sich auch in der 2030 Agenda und der Klimavereinbarung wieder.
Angesichts der neuen weltpolitischen Lage wird es wieder nötig zu protestieren. Es gilt, das Erreichte zu verteidigen. Und es gilt, die Weichen zu stellen, damit die nächsten 15 und die nächsten 50 Jahre das Projekt von Solidarität, Menschenrechten und Fortschritt vorantreiben.
Gabriele Köhler, Mitglied der Vorstands der DGVN
Gabriele Köhler hat zusammen mit Professor Sir Richard Jolly, Professor Robin Luckham und Dr. Philip Mader in der März-Ausgabe des SDG-Magazins der UN-Gesellschaft Großbritanniens, der United Nations Association - United Kingdom (UNA-UK), einen Beitrag zu der Thematik dieses Artikels veröffentlicht. Weitere Informationen gibt es auf der Website zu dem SDG-Magazin unserer britischen Schwestergesellschaft.