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Resolution zu sexueller Gewalt in Konflikten: Deutschlands Initiative stößt auf Widerstand

Deutschland versucht seinen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu nutzen, um die Überlebenden sexueller Gewalt in Konfliktgebieten zu unterstützen. Dabei erfährt die Bundesregierung Gegendruck und Kritik: von den Vetomächte auf der einen, von zivilgesellschaftlichen Organisationen auf der anderen Seite.

Außenminister Maas bei der Sitzung zur Resolution 2467 im Sicherheitsrat (UN Photo/Loey Felipe)

Zwei Jahre hat Deutschland durch seine zweijährige Mitgliedschaft im UN Sicherheitsrat die Gelegenheit, Entscheidungen und Dynamiken in diesem Gremium zu beeinflussen und mitzugestalten. Die Bundesregierung hat dafür einige Schwerpunkte gesetzt. Dazu gehören Themen wie ‚Klima und Sicherheit’, ‚Frauen, Frieden und Sicherheit’, ‚Humanitäre Hilfe’ und ‚Internationaler Abrüstung’. Im April hatte Deutschland außerdem den Vorsitz des Sicherheitsrates inne – eine prominente Möglichkeit, sich für diese Themen einzusetzen.

Initiativen der Bundesregierung zu Frauen, Frieden und Sicherheit

Mit verschiedenen Veranstaltungsformaten und den aktiven Einbezug von nichtstaatlichen  Organisationen (NGOs), lokalen Experten und Betroffenen hat die Bundesregierung in den letzten Monaten und Wochen versucht, den Themenkomplex Frauen, Frieden und Sicherheit neu auszuloten und ihm Öffentlichkeit zu verschaffen. So hat Deutschland beispielsweise den Ko-Vorsitz der informellen Expertengruppe für Frauen, Frieden und Sicherheit übernommen, engagiert sich in verschiedenen thematischen Netzwerken und unterstützt entsprechende Projekte vor Ort. Damit knüpft Deutschland an die Initiativen zu geschlechtergerechten Friedensverhandlungen und -einsätzen von Schweden im UN-Sicherheitsrat an.

Über das Engagement als Mitglied des Sicherheitsrats hinaus hat Deutschland seinen Vorsitz im Sicherheitsrat für eine neue Resolution zur Verhinderung und Beseitigung konfliktbezogener sexueller Gewalt genutzt. Denn obwohl es mittlerweile einen relativ umfassenden Rechtsrahmen zu sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten gibt, bestehen nach wie vor normative Lücken. Täter bleiben oft ungestraft und die Überlebenden erfahren nicht die Unterstützung, die sie benötigen. Experten und Betroffene bestätigen das, darunter zum Beispiel die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramilla Patten, die Friedensnobelpreisträger Dr. Denis Mukwege und Nadia Murad oder die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney.

Die von Deutschland eingebrachte Resolution 2467 zu sexueller Gewalt in Konflikten soll dem entgegenwirken. Sie baut auf Vorgängerresolutionen der Agenda zu Frauen, Frieden und Sicherheit auf und bezieht neue Sprache und Aspekte mit ein. Dazu gehören ein starker Fokus auf die Bedürfnisse der weiblichen – aber auch männlichen – Überlebenden und ihrer Kinder, die Anerkennung der wichtigen Rolle von zivilgesellschaftlicher Organisationen solcher Gewalt entgegenzuwirken, aber auch die Sanktionsmöglichkeit der Staatengemeinschaft gegenüber Konfliktparteien, die solche Gewalt zulassen oder gar unterstützen.

Die Kluft zwischen Zivilgesellschaft und Mitgliedsstaaten

Die Verhandlungen um diese Resolutionen waren jedoch mühsam, da nicht nur Russland und China sich enthielten, sondern auch die Vereinigten Staaten damit drohten, ein Veto einzulegen und damit die Resolutionsabstimmung nichtig zu machen. Der Widerstand von drei der fünf ständigen Mitglieder im UN Sicherheitsrat zeigt, wie kontrovers Themen zu Geschlechtergerechtigkeit immer noch diskutiert werden. Die kritischen Stimmen störten sich vor allem an Inhalt und Sprache zu reproduktiver Gesundheit, konkreten Strafverfolgungsmaßnahmen und sexueller Identität beziehungsweise Orientierung. Entsprechende Absätze wurden zum Teil gestrichen, umformuliert oder gekürzt. Der Wirkungsgrad der Resolution ist dadurch wesentlich geringer als ursprünglich geplant. Vorgängerresolutionen wie beispielsweise die UN-Resolution 2106, die im Eingangstext Erwähnung finden und somit rechtlich gesehen ein Bestandteil der Resolutionsintention sind, sprechen zum Teil eine klarere Sprache.

International, aber auch in Deutschland, stehen Frauenrechtsorganisationen dieser Resolution deshalb kritisch gegenüber und halten sie sogar zum Teil für einen politischen Rückschritt. Sie fordern nun die Bundesregierung auf, sich weiterhin und auf anderem Wege für die Themen, die weggefallen sind, einzusetzen.

Der Weg aus dem politischen Dilemma hin zu umfassendem Schutz und Prävention

So sollten im UN-Sicherheitsrat der gleichberechtigte Zugang zu politischen Entscheidungen und der Schutz vor geschlechterspezifischer Gewalt konsequent in allen länderspezifischen Sitzungen angesprochen werden und sich auch in den Resolutionen zu Friedenseinsätzen wiederfinden.

Menschenrechtsabkommen wie die Frauenrechtskonvention (CEDAW) aber auch Mechanismen des internationales Strafrechts sollten konsequenter durchgesetzt werden. Die rechtliche Wirkung solcher Verträge ist durch die Sanktionsmöglichkeiten oftmals um einiges spürbarer als die entsprechenden Resolutionen. Die Absprachen zwischen New York und Genf müssen besser abgestimmt werden.

Aber auch in Brüssel spielen diese Themen eine Rolle. Die EU hat schon vor über zehn Jahren Richtlinien zur Umsetzung der Resolution 1325 formuliert. Diese kann Deutschland durch seinen EU-Ratsvorsitz nächstes Jahr mit europäischen Partnern wie Frankreich und Schweden weiter voranzutreiben und an das Engagement im Sicherheitsrat anknüpfen.

Darüber hinaus hat Deutschland selbst seit 2013 einen nationalen Aktionsplan zu Frauen, Frieden und Sicherheit, der im nächsten Jahr einer Neuauflage bedarf. In diesem werden die Themenbereiche und Initiativen der Bundesregierung in den verschiedenen Resorts festgelegt. Durch die gezielte Förderung von Projekten, die dem Schutz, der Prävention und Bestrafung sexueller Gewalt aber auch dem Zugang zu reproduktiver Gesundheitsmaßnahmen in Konflikten dienen, könnte die Situation von Überlebenden vor Ort verbessert werden. So könnte Deutschland seinem Vorschlag und Prioritäten treu bleiben, ohne auf den Zuspruch von außen angewiesen zu sein

Deutschland hat versucht, mit der Resolution 2467 dem Thema der sexuellen Gewalt in Konflikten größere rechtliche Handhabe zu verschaffen. Dies ist teilweise gelungen. Insbesondere durch den Fokus auf einen opferzentrierten Ansatz und die Aufnahme sexueller Gewalt in die entsprechenden Sanktionskataloge der UN sind verbindliche Neuerungen des Völkerrechts, die bei rechtlichen aber auch politischen Verhandlungen in den Ländern genutzt werden können. NGOs fordern jedoch zurecht, dass sich die Bundesrepublik jetzt noch mehr und konsequent für eine geschlechtergerechte und menschliche Friedens- und Sicherheitspolitik einsetzt – und diese sowohl im eigenen Land als auch international umsetzt.


Nicola Popovic


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