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Der UN-Sicherheitsrat im (Klima-)Wandel?

Wie positioniert sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zum Klimawandel und den zunehmenden disruptiven und existentiellen Sicherheitsbedrohungen? Wissenschaftliche Erkenntnisse über den sich wandelnden Sicherheitsbegriff können maßgeblich zur weiteren Entscheidungsfindung beitragen.

Bürgerrechtlerin und Klimaaktivistin Hindou Ibrahim aus dem Tschad spricht im UN-Sicherheitsrat. Foto: UN Photo/Eskinder Debebe

Wissenschaftliche Berichte über Rekordtemperaturen, Extremwetterereignisse und klimatische Kipppunkte sowie die Nachrichten über verheerende Brände in Australien zeigen eindrucksvoll die Sicherheitsbedrohungen des durch den Menschen ausgelösten Klimawandels. Die Forderungen nach Klimasicherheit nehmen im Zuge der gesellschaftlichen Debatten und der anschwellenden Politisierung des Klimawandels zu. In Deutschland wurde dies zuletzt auch durch die FridaysForFuture-Demonstrationen und die Erklärung des Klima-Notstandes der Europäischen Kommission deutlich. Das vorherrschende militärisch und national geprägte Sicherheitsverständnis muss in Anbetracht dieser neuen und globalen Herausforderungen überdacht werden.
 

Diskussion um Klimasicherheit im Sicherheitsrat​​​​​

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spielt in diesem Kontext eine besondere Rolle. In dem wichtigen internationalen Gremium werden zentrale friedens- und sicherheitspolitische Entscheidungen getroffen und Themen debattiert. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf Sicherheit, Frieden und Krieg werden seit 2007 kontrovers diskutiert. Dabei steht nicht nur zur Debatte, welche Auswirkungen der Klimawandel auf nationale und internationale Sicherheit hat, sondern insbesondere welche möglichen Zuständigkeiten und Handlungsfähigkeiten dem Rat dabei zufallen würden. Kritiker fürchten vor allem eine Militarisierung der Bearbeitung der Folgen des Klimawandels und Einschränkungen  nationaler Souveränität. Die Diskussion um Klimasicherheit ist zudem eingebettet in die allgemeine Diskussion um die Legitimität, Autorität und den Mangel an Reformen des Sicherheitsrats. Die Befürworter von Klimasicherheit im Rat unterstreichen die notwendige Einbeziehung der existierenden und wachsenden Bedrohungen durch den Klimawandel in eine umfassende Betrachtung von Sicherheit. Sie weisen den Vorwurf der Kritiker, dass die Betrachtung eines Problems als Sicherheitsproblem notwendig zu Militarisierung führe, mit dem Argument zurück, dass erfolgreiche Sicherheitspolitik über ein breites Instrumentarium an Mitteln verfügt. 

Insbesondere Deutschland definiert „Klimawandel und Sicherheit“ als eines seiner Hauptprioritäten für die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat 2019/20. Die Schaffung der Group of Friends on Climate and Security, unter dem Vorsitz Deutschlands und des Inselstaats Nauru mit mittlerweile mehr als 55 Staaten, zeugt von dem hohen Stellwert der Thematik. Im Juli 2019 veranstaltete das Auswärtige Amt die Berlin Climate Security Conference, welche Entscheidungsträger, Vertreter von internationalen Organisationen, Zivilgesellschaft und Klimawissenschaft zusammengebracht hat. Die Stärkung des Austausches zwischen Wissenschaft und Politik zu Klimasicherheit zählt im Speziellen zu den Kernstrategien des Auswärtigen Amtes.
Doch welche Rolle kann Friedens- und Konfliktforschung über Sicherheit und Klimawandel in diesem Kontext spielen und wie können politische Entscheidungsträger davon profitieren?
 

Forschung zu Klimawandel und Sicherheit

Seit den 1970er Jahren haben sich disziplinübergreifend vielfältige Forschungsansätze zu dem Nexus Klimawandel und Sicherheit etabliert. Vor allem die in der Forschung immer wieder aufgezeigten Fallstricke und Hürden sind unmittelbar in der Praxis wiederzuerkennen. 

So sind die Diskussionen im Sicherheitsrat vielfach von sicherheitspolitischen Interessen, Befürchtungen und Empfindlichkeiten geprägt, die durch die Unübersichtlichkeit der vielen komplexen Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Sicherheit, Frieden und Konflikten verstärkt werden. Dies führt dazu, dass die einzelnen Positionen der Staaten sowie die politischen Anliegen nur schwer zu durchdringen sind und die verschiedenen Diskussionen immer wieder durch die Komplexität und Spannungen beeinträchtigt werden.

Hier setzt das Projekt Klimawandel und Sicherheit im UN-Sicherheitsrat an. Ein großes internationales Netzwerk von mehr als 35 Forschenden ist an diesem Projekt beteiligt, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird und am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) verortet ist. Basierend auf dem Erkenntnisstand der Forschung zu Klimawandel und Sicherheit hat das Projekt die Erfassung der verschiedenen Positionen, Sichtweisen und Praktiken zu Klimasicherheit der aktuellen fünfzehn Mitgliedsstaaten (2020) des Sicherheitsrats zum Ziel. Im Zentrum der Analyse steht nicht - wie so oft - die extern erfasste Einschätzung über die Verwundbarkeit der Staaten durch den Klimawandel, sondern die nationalen Wahrnehmungen, Konzeptionen und Maßnahmen von Klimawandel als Sicherheitsproblem. Besonders im Fokus liegt dabei die Frage, ob es gegebenenfalls bereits praktizierte Formen von nationaler Klimasicherheit gibt, welche zur Weiterentwicklung des internationalen Sicherheitsbegriffs beitragen können.  

Anhand des Vergleiches und der Suche nach Überschneidungspunkten verschiedener Interessen und Betrachtungsweisen sollen Gemeinsamkeiten aufgezeigt und damit eine bessere Grundlage für einen systematischeren und auf gemeinsame Entscheidungen zielenden Dialog zwischen den Staaten geschaffen werden. Durch die standardisierte Erfassung der 15 Länderfallstudien, und die Einbindung mehrerer Review-Schleifen wird zum einen die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse gewährleistet und zum anderen lokale Perspektiven und multidisziplinäre Expertise eingebunden. Auf diese Weise baut das Projekt eine solide wissenschaftliche Informationsbasis über klimabedingte Sicherheitsrisiken und -politiken der Mitgliedsstaaten auf, die als Grundlage für politische Entscheidungen und Kooperationen dienen kann. Die Forschungsergebnisse werden u.a. bei der Berlin Climate and Security Conference II im Auswärtigen Amt (15.-16. Juni 2020) und in New York beim Climate Security Mechanism vorgestellt.
 

Ausblick auf das Klima im Sicherheitsrat

Eine erste Anerkennung der Auswirkung des Klimawandels auf Sicherheit durch den Sicherheitsrat wurde bereits Ende 2018 mit Bezugnahme auf die Region um den Tschadsee getätigt. Auf breiterer Ebene der Vereinten Nationen zeugt die Schaffung des seit 2018 aktiven United Nations Climate Security Mechanism ebenfalls von der Anerkennung der Wichtigkeit der Thematik.  Längerfristig gesehen, ist es für eine glaubwürde Politik der Vereinten Nationen notwendig, dass auch der Sicherheitsrat den Klimawandel und die darüber hinausgehenden Herausforderungen des Anthropozäns in das grundsätzliche Selbstverständnis der Institution einbindet, da die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die massiven und disruptiven Konsequenzen nicht länger ausgeblendet werden können. Dabei bleibt zu hoffen, dass ausgehend von diesen existentiellen Herausforderungen für die Weltgemeinschaft ein offenes Verständnis von Klimasicherheit erwächst, das auf Kooperation und Frieden aufbaut und auch zukünftige Generationen mit einbezieht. Die Forschung kann für diese politischen Entscheidungen durch das Aufzeigen verschiedener Handlungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen einen wichtigen Beitrag leisten.

Dr. Judith Nora Hardt (IFSH; Centre Marc Bloch; für Scientist4Future aktiv) und Alina Viehoff, IFSH


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