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Das 1,5°C-Ziel ist nicht nur eine schöne Zahl, sondern muss uns Anspruch sein

Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C – Nur eine schöne Zahl oder ein realer Anspruch? Essay von COP24-Jugendbeobachter Thorsten Bischof

Kiribati, einer der Staaten, die aufgrund des Meeresspiegelanstiegs besonders auf ein Erreichen des Ziels zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C angewiesen sind (UN Photo/Eskinder Debebe)

Auf der Klimakonferenz 2015 in Paris einigten sich die Staaten auf das neue, zentrale Instrument der Weltgemeinschaft zur Verhinderung und Abmilderung schwerer Klimawandelfolgeschäden. Darin legten sie fest, dass der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur auf deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau gehalten werden muss. Vielen von den Folgen des Klimawandels besonders betroffenen Staaten ging das aber nicht weit genug, weshalb sie sich dafür einsetzten, die Erderwärmung sogar auf nur 1,5°C zu begrenzen.

Aus naturwissenschaftlicher Perspektive beschäftigt die Begrenzung der stetig fortschreitenden Erderwärmung schon lange viele Forscher. Der Weltklimarat, der als zentrale Institution der Vereinten Nationen den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammenträgt und bewertet, wurde speziell beauftragt, die Auswirkungen einer Erderwärmung um 1,5°C zu untersuchen und dabei auch Wege aufzuzeigen, wie eben dieses Ziel erreicht werden kann. Nach dem im Oktober veröffentlichten Bericht des Expertengremiums sind die Unterschiede der Folgen für unser Leben und unsere Umwelt je nach Begrenzung der Erderwärmung auf 2°C oder 1,5°C enorm. So würde im Vergleich zu einer Erderwärmung um 1,5°C das Auftreten von Wetterextremen wie zum Beispiel der Dürre, die wir in diesem Sommer und Herbst in Deutschland erlebt haben, bei einer Erwärmung um 2°C noch deutlich häufiger. Bei einer Erderwärmung von nur 1,5 C° wären die Auswirkungen auf die weltweite Biodiversität und unsere gesamten Ökosysteme demgegenüber substantiell geringer. Langfristig könnte zumindest ein Teil von Grönlands Eispanzer erhalten bleiben und der Meeresspiegel würde bis zum Jahre 2100 um ganze 10 cm weniger steigen, was eine Bedrohung der Lebensräume von etwa 10 Millionen zusätzlichen Menschen verhindern würde. Diese Beispiele zeigen, dass die Bedeutung des halben Grades Unterschied für die Klimawandelfolgen und seine damit verbundenen schweren Schäden kaum überschätzt werden kann.

Laut den Berechnungen des Weltklimarats ist die Einhaltung der 1,5°C-Marke zum Ende dieses Jahrhunderts noch wissenschaftlich möglich. Fest steht aber, dass die Staaten dazu schnellstmöglich sehr große Anstrengungen unternehmen müssen. Nötig sind weitreichende Systemveränderungen in den Land- und Stadt-, Energie- und Industriesektoren in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten. Eine gute Nachricht ist, dass dabei laut dem Weltklimarat keine zusätzlichen Maßnahmen zur Einhaltung des 1,5°C-Ziels gegenüber dem 2°C-Ziel nötig sein werden: die Maßnahmen müssen grundsätzlich nur schneller ergriffen werden. Falls aber nicht zügig genug gehandelt wird, wird es für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels auch auf den Einsatz negativer Emissionstechnologien in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ankommen müssen, mit denen Kohlenstoff aus der Erdatmosphäre abgeschieden und gespeichert werden könnte. Einige Forscher warnen zwar aufgrund potentieller Risiken schon heute vor dem Einsatz dieser Technologien, ihre Erforschung steckt aber bisher noch weitestgehend in den Kinderschuhen. Hier sind die Wissenschaftler gefordert, möglichst schnell Klarheit über die Potentiale und die Gefahren der verschiedenen Ansätze zu schaffen. Nur so können Gesellschaft und Politik überhaupt über deren potentiellen Einsatz und damit verbunden über die notwendigen langfristigen Klimaschutzpläne fundiert entscheiden.

Auf der Vertragsstaatenkonferenz von Paris vereinbarten die Staaten rechtlich verbindlich, die Erderwärmung kollektiv auf „deutlich unter 2°C“ zu begrenzen und „Anstrengungen zu unternehmen“, um die Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Der Vertrag geht dabei von einem einheitlichen Temperaturziel aus, fasst die beiden Werte also zu einer Einheit zusammen. Daher müssen sich die Staaten bei der Aufstellung und Umsetzung ihrer nationalen Beiträge auch immer fragen, ob ihre Maßnahmen tatsächlich ausreichende Anstrengungen hin zur Einhaltung des 1,5°C-Wertes sind. Diesen haben sie sich rechtlich zum Anspruch gemacht.

Um dem gerecht werden zu können haben die Staaten in den letzten Jahren bereits viele wichtige Entwicklungen angestoßen. Mit noch entschlosseneren Maßnahmen in den nächsten Jahren kann so ein solider Grundstein für eine effektive Klimawandelbekämpfung gelegt werden. Dass die Staaten eigens den Weltklimarat zur wissenschaftlichen Ausarbeitung der Bedeutung 1,5°C-Ziels und der nötigen Maßnahmen angerufen haben zeigt, als wie wichtig auch sie diese Schwelle ansehen. Dies wird auch deutlich, wenn man die Schwierigkeiten solcher internationalen Vertragsverhandlungsprozesse berücksichtigt. Jedes einzelne Wort wird dabei sorgfältig abgewogen und ausverhandelt, nichts dem Zufall überlassen. Dennoch und gerade wegen der anderweitig schwerwiegenden Konsequenzen haben sich die Staaten zu einer Aufnahme der 1,5°C-Ziels entschieden. Jetzt sind sie in der Verantwortung, diesem Versprechen auch weitere Taten folgen zu lassen.

Die enormen unterschiedlichen Auswirkungen auf unser Leben und unsere Umwelt machen deutlich, wie immens wichtig die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C für uns alle und die zukünftigen Generationen ist. Sie darf nicht nur schöne Zahl, sondern muss uns Anspruch sein!


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