Das Problem ist der Konsum
Sind Wirtschaftswachstum und Klimaschutz ein Widerspruch? Wenige Themen sind aktuell so widersprüchlich diskutiert wie dieses. Grundsätzlich und vor allem in der Vergangenheit war die Frage relativ einfach beantwortet: wenn der Konsum steigt, wächst die Wirtschaft und das führt zu einem erhöhten Verbrauch der Ressourcen und einer erhöhten Verschmutzung der Umwelt. Insbesondere führende Industrieländer, deren Konsum hoch war, hatten somit einen maßgeblichen Anteil am globalen Ressourcenverbrauch. In verschiedenen Artikeln ist zu lesen, dass wir die Ressourcen mehrerer Planeten bräuchten, wenn alle Welt so vorgehen würde wie der Westen.
Tatsächlich ist das bereits der Fall. Der sogenannte „Welterschöpfungstag“ oder auch „Earth Overshoot Day“ bezeichnet den Tag, an dem die Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen die Kapazität der Erde übersteigt, diese Ressourcen zu reproduzieren. 2017 war dieser Tag in Deutschland der 24. April. Für eine allgemeine Lebensweise wie in der Bundesrepublik wären demnach drei Erden nötig. 2018 wurde der 2. Mai als Datum errechnet, mit Bezug auf wetterbedingte Schwankungen.
Das zentrale Problem in dem Gefüge ist der Konsum. Bekanntlich macht die Dosis das Gift, aber der heutige Konsum in den meisten Gesellschaften hat diese Grenze längst überschritten. Um nachhaltig zu leben, müsste der Mensch außerdem wieder autonomer werden. Das bedeutet: Mehr Lebensmittel müssten selbst angebaut, es müsste mehr produziert und gemeinschaftlich gewirtschaftet werden. Der Menschen müsste Dinge wieder selbst reparieren anstatt sie durch neue zu ersetzen. Dieser bescheidenere und stärker lokal generierte Wohlstand sollte angestrebt werden, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Er wäre krisensicherer und ökologisch verantwortbar. Allerdings haben viele Menschen kein Interesse daran, bescheidener zu leben. Das liegt unter anderem an gesellschaftlichen Definitionen von Erfolg und Prestige.
Der persönliche CO2-Ausstoß von momentan durchschnittlich 11 Tonnen pro Person müsste auf 2,5 Tonnen gesenkt werden. Der Ausstieg eines zentralen Landes wie den USA aus dem Pariser Abkommen fördert die Erreichung dieses Ziels ebenfalls nicht.
Allerdings wurde 2017 eine OECD-Studie veröffentlicht, die besagt, dass das Engagement für den Klimaschutz auch das Wirtschaftswachstum anschieben kann. Dies soll durch zusätzliche Investitionen in erneuerbare Energien und einen umweltfreundlichen Verkehr möglich sein. Die aktuelle Investitionswelle - nicht nur in Industrie-, sondern auch in Schwellen- und Entwicklungsländern - soll dies begünstigen. Der Schlüssel soll in der Schaffung einer Infrastruktur liegen; die langfristig genutzt werden kann und klimabewusst gestaltet ist. Auf diese Weise könnten laut OECD die Pariser Ziele erreicht und Wohlstand geschaffen werden.
Sollte dies allerdings nicht der Fall passieren, stehen drastische Verschlechterungen im Klimaschutz und hohe langfristige Kosten an. Für die Studie wurde berechnet, dass bis 2030 jedes Jahr rund 6,3 Billionen Dollar in Infrastruktur investiert werden. Wenn diese klimafreundlich angelegt werden soll, müsste der Betrag um 600 Milliarden Dollar pro Jahr erhöht werden. Die OECD schätzt den Zeitpunkt dafür aufgrund von niedrigen Zinsen als lohnenswert ein und errechnet Einsparungen von bis zu 1600 Milliarden Dollar und die langfristige Reduzierung von Kosten für Umweltschäden, die die Investitionskosten übersteigen würde.
Diese Aussichten scheinen positiv. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Studie über einen so langen Zeitraum, die verschiedene Volkswirtschaften miteinschließt, recht unsicher ist. Die Entwicklungen sind in diesem Fall einfach nicht sicher abzuschätzen. Sollten die Autoren der Studie falsch liegen und das Wachstum würde durch den Klimaschutz drastisch eingeschränkt, stellt sich eine große Herausforderung: Es bräuchte dann Übergangslösungen für die vom Wachstum abhängigen zentralen Institutionen wie etwa den Arbeitsmarkt, das Rentensystem, die Banken und das System der Staatsverschuldung. Alternativkonzepte schlagen bisher lediglich eine Verkürzung der Arbeitszeit vor.
Angela Merkel hat bereits wiederholt auf die Gefahr eines Ermüdens des Kampfes gegen des Klimawandel hingewiesen. Meiner Ansicht nach muss die Politik aber noch viel mehr tun als es aktuell der Fall ist. Die Politik hat großen Einfluss auf die Meinung der Öffentlichkeit zu diversen Themen. Eines der größtem Probleme mit Blick auf den Klimawandel und Wirtschaft ist die Verwirrung - aufgrund widersprüchlicher Berichterstattung - und die Meinung, die sich die Menschen auf Basis dieser Informationen bilden. Der Glaube der Gesellschaft hat einen großen Einfluss auf ihr Handeln. Wenn die Gesellschaft glaubt, der Klimaschutz ruiniere das Wachstum, wird sie zögerlicher, sich dafür zu engagieren. Die Politik hilft, die Menschen zu informieren und Plattformen wie die jährliche UN-Klimakonferenz helfen einer vernetzen Welt dabei, auf den richtigen Pfad zu finden.