Debatte: Potenzial für (noch) mehr Jugendbeteiligung bei der UN-Friedenssicherung
Als DGVN-Jugendbeobachterin und -beobachter haben wir, Natalia und Jakob, an der Ministerialkonferenz zur UN-Friedenssicherung (UN Peacekeeping Ministerial – PKM) in Berlin teilgenommen. Vom 13. bis 14. Mai brachte die hochrangige Konferenz Delegationen aus über 130 Staaten zusammen, um über die Zukunft und Reformen von UN-Friedensmissionen zu beraten. Neben großen Podiumsdiskussionen und bilateralen Treffen standen konkrete Beiträge, die sogenannten ‚Pledges‘ der Mitgliedstaaten, im Fokus. Zudem wurden in thematischen Breakout-Sessions - kleinere Diskussionsrunden zwischen Delegierten sowie Vertreterinnen und -vertretern der Zivilbevölkerung - spezifische Herausforderungen wie der Schutz von vulnerablen Gruppen oder die Rolle von Technologie im Peacekeeping besprochen.
Als Jugendbeobachterin und -beobachter erhielten wir nicht nur spannende Einblicke hinter die Kulissen einer internationalen Konferenz, sondern konnten auch einen aktiven Beitrag leisten. Junge Menschen sind nicht nur unsere Zukunft, sondern müssen auch heute aktiv in Entscheidungen und politische Prozesse einbezogen werden. Deswegen betonten wir in einer Kurzintervention, also einer kurzen Rede, während der Breakout-Session ‚Protecting the Vulnerable and Securing Trust‘ die Notwendigkeit, junge Menschen nicht nur symbolisch zu beteiligen, sondern sie als gleichgestellte Akteure in die Planung, Durchführung und Nachbereitung von UN-Friedensmissionen einzubinden.
Wie junge Menschen in Friedensprozessen beteiligt werden
Junge Menschen einzubinden, ist umso wichtiger, da unsere Generation die größte in der Geschichte ist. Bis 2030 werden weltweit fast 60 Prozent der Menschen unter 30 Jahre alt sein. Doch in der politischen Realität spiegelt sich das kaum wider.
Auf internationaler Ebene existieren bereits Rahmenwerke und Resolutionen, um junge Menschen stärker zu integrieren. So betont zum Beispiel die Agenda Jugend, Frieden, Sicherheit (Youth, Peace and Security Agenda), auch als die UN-Sicherheitsratsresolution 2250 und ihre Nachfolger bekannt, die Rolle junger Menschen in Friedensprozessen. Mitgliedstaaten werden aufgefordert, junge Menschen auf allen Ebenen von Friedensprozessen zu integrieren. Auch in der namensgebenden Studie zum PKM ‚The Future of Peacekeeping: New Models and Related Capabilities‘ wird betont, dass die Jugend bei der Überwindung der zunehmenden Sicherheitsherausforderung und um Friedensmissionen mehr Legitimität zu verleihen, eine größere Rolle spielen muss. Doch nur etwa 12 Prozent aller Friedensabkommen zwischen 1990 und 2022 erwähnten explizit junge Menschen. Dabei bezeugen Studien, dass inklusive Friedensprozesse zu einem weitaus stabileren Frieden führen.
Unsere Kurzintervention: Frieden ist ein generationenübergreifender Prozess
In unserer Kurzintervention forderten wir die Delegationen daher auf, auch nach der Konferenz die Rolle junger Menschen zu diskutieren und sie inklusiv einzubinden. Frieden ist kein kurzfristiges Projekt, sondern ein generationenübergreifender Prozess, der auch nach dem Ende einer Friedensmission Bestand haben muss. Andernfalls verlieren UN-Friedensmissionen weiter an Vertrauen und Legitimität.
So wichtig wie die Diskussionen über Finanzierung, der Ausbau von technischen Kapazitäten und die jeweiligen Pledges auch sind, müssen wir leider festhalten, dass Themen wie Jugendpartizipation, inklusivere Friedensprozesse, und die Klimakrise nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dabei sind es gerade junge Menschen, die in vielen Regionen die Bevölkerungsmehrheit stellen und gleichzeitig mit am stärksten unter den langwierigen Folgen von Konflikten und Klimawandelfolgen leiden.
Jugendbeteiligung: Kein ‚Nice-to-have‘, sondern essenziell
Wir hätten uns vom PKM also mehr Raum für den Austausch und konkrete Verpflichtungen zur Einbindung junger Perspektiven gewünscht. Wir sollten nicht vergessen, dass die UN gegründet wurden, um Menschen und Menschenrechte zu schützen. Täglich sehen wir, dass es vorwiegend junge Menschen sind, die in der ersten Reihe stehen, wenn es darum geht, gegen Gewalt und Krieg, und für mehr Frieden und Demokratie zu demonstrieren. Daher müssen unser Engagement ernst genommen und unsere Meinungen und Ideen in Entscheidungsprozessen einbezogen werden.
Martine Kessy Ekomo-Soignet, die auf der Konferenz junge Stimmen aus der Zentralafrikanischen Republik repräsentierte, kritisierte zum Beispiel, dass das PKM keinen Raum für die Perspektiven junger Menschen biete, obwohl junge Menschen eben keine Minderheit, sondern in vielen Ländern die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Deswegen forderte sie für zukünftige Konferenzen eigene Side-Events, um junge Menschen zusammenzubringen. Auch Kholood Khair, Direktorin des Think-tanks Confluence Advisory und sudanesische politische Analystin, stimmte zu und sagte, dass die Beteiligung von Jugendlichen nicht nur ein ‚Nice-to-have‘, sondern essenziell für den Erhalt eines nachhaltigen und inklusiven Friedens sei.
Insbesondere diese Gespräche mit Delegierten, Ministerinnen und Ministern sowie Vertreterinnen und Vertretern von internationalen Organisationen abseits der großen Bühnen sind uns in Erinnerung geblieben. Hier zeigte sich für uns immer wieder aufs Neue, dass hinter Friedensprozessen auch nur Menschen stehen.
Ein Ausblick
Frieden wird nicht nur auf Konferenzen verhandelt, sondern entsteht durch das tagtägliche Engagement zahlreicher Menschen, die sich für Schutz, Dialog und Stabilität einsetzen; und junge Menschen gehören ganz klar dazu. Jetzt liegt es an den Delegierten und Ministerinnen und Ministern diese Eindrücke umzusetzen. Wir hoffen, dass unsere Intervention einige dieser Entscheidungstragenden dazu inspiriert hat, sich mehr für die Integration junger Menschen in Friedensprozesse einzusetzen, und, dass unsere Berichterstattung junge Menschen ermutigt, sich weiterhin einen Platz am Tisch, wo Entscheidungen über unsere Zukunft gemacht werden, zu erkämpfen.
Abschließend möchten wir uns noch herzlich bei der DGVN, dem Auswärtigen Amts und dem Bundesministerium der Verteidigung bedanken, die uns die Teilnahme am PKM ermöglicht und uns während der Konferenz begleitet haben.
Natalia Jagolski und Jakob Linnebank, Jugendbeobachterin und -beobachter beim PKM 2025