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Die Dynamiken im UN-Sicherheitsrat

Vom politisch Wünschenswerten zum diplomatisch Realisierbaren: in der Debatte um den Nexus Klimawandel und Sicherheit sind im UN-Sicherheitsrat kleine Fortschritte zu verzeichnen. Eine eindeutige Positionierung des Rates fehlt jedoch. Steht ein Durchbruch kurz bevor?

Digitale Sitzung des Sicherheitsrats zur Situation in der Sahel-Zone (UN Photo/Evan Schneider)

Seit dem 1. Juli hat Deutschland zum zweiten Mal während seiner nicht-ständigen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Präsidentschaft inne. Neben der Diskussion zu den Auswirkungen von COVID-19 auf Frieden und Sicherheit weltweit, stehen vor allem die Themen „UN-Friedensmissionen und Menschenrechte“, „Frauen, Frieden, Sicherheit: sexuelle Gewalt in Konflikten“ sowie der Nexus Klima und Sicherheit (Debatte am 24.7.) ganz oben auf der deutschen Agenda.  


Kleine Fortschritte im Sicherheitsrat

Beim Thema Klima und Sicherheit verhält es sich wie bei anderen nicht-klassischen Sicherheitsbedrohungen, bei denen es dem Sicherheitsrat zunächst schwerfiel diese als relevant für das eigene Mandat zu sehen und eine eigene Rolle für sich zu definieren. Daher gibt es trotz der kleinen Fortschritte, die seit der ersten Diskussion um den Nexus im Jahr 2007 zu verzeichnen waren, bislang keine thematisch fokussierte Resolution, die sich losgelöst von einem bestimmten Krisenkontext dem Klimawandel als Katalysator von Konflikten widmet. 

Für Deutschland stand die Verschärfung von Konflikten durch den Klimawandel bereits während der nicht-ständigen Mitgliedschaft 2011/2012 auf der Agenda, so dass eine Fortführung dieser Priorität auch politische Kontinuität dokumentiert. Bereits im Vorfeld der aktuellen Mitgliedschaft gründete man 2018 gemeinsam mit dem Inselstaat Nauru die „Group of Friends on Climate and Security“, der mittlerweile 55 Staaten angehören. 


Klimawandel und Sicherheit gewinnt zunehmend an Bedeutung

Das Interesse an der Thematik wächst unter den UN-Mitgliedstaaten sukzessive. Dies kam auch bei der von der Dominikanischen Republik im Rahmen ihrer Sicherheitsrats-Präsidentschaft initiierten offenen Debatte im Januar 2019 zum Ausdruck. Mehr als 80 UN-Mitgliedstaaten und 15 Minister beteiligten sich mit Wortbeiträgen zu Fragen wie der Stärkung von Krisenfrühwarnsystemen für klimabedingte Katastrophen durch den Sicherheitsrat; oder auch der Stärkung der UN-System weiten Kooperation zur Eindämmung von Sicherheitsrisiken durch den Klimawandel.  

Als im April diesen Jahres Frankreich ein Arria-Formula Treffen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Earth Day einberief, solidarisierten sich Belgien, die Dominikanische Republik, Estland, Deutschland, Niger, Saint Vincent und die Grenadinen, Tunesien, Großbritannien und Vietnam als Co-Organisatoren. Damit unterstrichen zwei ständige und acht nicht-ständige Sicherheitsratsmitglieder die Herausforderungen, die sich durch den Klimawandel in der Krisen- und Konfliktbewältigung ergeben. Auch die in diesem Jahr um die nicht-ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat konkurrierenden Staaten Kanada, Kenia und Norwegen setzten das Thema ganz oben auf ihre Prioritätenliste. 


Verankerung des Themas in Resolutionen

Als wegweisender Fortschritt in der Verankerung des Themas Klimawandel im Sicherheitsrat ist sicherlich die Sicherheitsratsresolution 2349 (31. März 2017) zur destabilisierenden Wirkung der Folgen des Klimawandels in der Region des Tschadsee-Beckens zu sehen. Dort konnte eine unmittelbare Kausalwirkung zwischen der weiteren Marginalisierung der Bevölkerung, der durch Austrocknung des Sees die Lebensgrundlage sukzessive entzogen wird, und der Infiltration durch die Terrororganisation Boko Haram hergestellt werden. 

Seither gelang es immer wieder Referenzen zum Nexus Klima und Sicherheit in den formellen Erklärungen des Sicherheitsrates unterzubringen. Im März 2018 wurde der Klimawandel in der Sicherheitsratsresolution 2408 zur Lage in Somalia als destabilisierender Faktor in der Region identifiziert. Mit der Verlängerung des MINUSMA Mandates in Mali im Juni 2018 (S/Res/2423; 68.) wurde erstmals die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Klimawandels in den Aktivitäten und Programmen der Mission festgeschrieben. Auch bei der Verlängerung des MONUSCO-Mandats in der Demokratischen Republik Kongo wurde im Dezember 2019 auf die konfliktverschärfende Wirkung des Klimawandels verwiesen (S/Res/2502). 

Auch die jüngst verabschiedete Resolution (S/Res/2524) zur Etablierung der United Nations Integrated Transition Assistance Mission für den Sudan (UNITAMS) greift auf die bereits mehrfach in Resolutionen eingebettete Formulierung zurück: 
„Recognising the adverse effects of climate change, ecological changes and natural disasters, among other factors, on the stability of Sudan, particularly Darfur, and Stressing the need for adequate risk assessment and risk management strategies by the Government of Sudan and the United Nations relating to these factors to support stabilisation and build resilience.“


Institutionelle Verankerung

Institutionell kam vor allem Bewegung in die Stärkung der Kapazitäten für Risikoanalyse und -management durch die Schaffung des Climate Security Mechanisms (2018), der die Expertise der Abteilung für Politik und Friedensmissionen der UN (DPPA), des UNDPs und des UNEPs zusammenführt. 

Allerdings ist dieser erste Schritt nicht ausreichend, um die Reaktionsfähigkeit der UN (Verbesserung der Krisenfrüherkennung; Verbesserung der Analysen zum Nexus Klima und Sicherheit zur umfassenden Information der Sicherheitsratsmitglieder durch das Sekretariat) und ihre Mechanismen des Krisenmanagements zu verbessern (z.B. durch Einbeziehung der Peacebuilding Commission). Darüber hinaus gilt es auch, nicht nur das Personal in den Friedensmissionen für den Nexus zu sensibilisieren, sondern auch im Kontext der Krisenfrüherkennung die UN-Länderteams und deren Bewusstsein für eine notwendige verstärkte Kooperation in diesem Bereich zu schärfen. 


Uneinigkeit im Sicherheitsrat

Der Nexus Klima und Sicherheit ist mittlerweile unbestritten, auch wenn von Seiten der UN-Mitglieder und des Sicherheitsrates oft auf den Bedarf von konkreten Informationen hingewiesen wird. Allerdings besteht trotz der geschilderten Fortschritte nach wie vor eine Kontroverse zwischen Mitgliedern des Sicherheitsrates zur Rolle des Sicherheitsrates. 

Die wohl konsistenteste Position in der Argumentation nimmt Russland ein. Botschafter Vassily Nebenzia erklärte 2019, dass die Herausforderungen des Klimawandels nicht in den Sicherheitsrat gehören, da man sich vom Mandat der Sicherung des Weltfriedens entferne, in dem man vor allem ein entwicklungspolitisches Problem adressiere. Oft wird von russischer und chinesischer Seite auch damit argumentiert, dass man mit dem Thema Terrain anderer, besser vorbereiteter UN-Organisationen betrete. 

Im Falle Chinas kann man mittlerweile eine eher pragmatische Haltung erkennen. Nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen 2017 erklärte sich China beim Weltwirtschaftsforum in Davos als neuer Verfechter von Multilateralismus und Klimaschutz. Im Januar 2019 wurde von chinesischer Seite auf die Gefährdung von Frieden und Sicherheit durch den Klimawandel in bestimmten Regionen verwiesen. Dem graduellen Wandel Chinas steht nun jedoch eine US-Position gegenüber, die sich insbesondere als wenig kompromissbereit erweist, seit die UN-Politik der USA primär aus Washington gesteuert wird. Versuche, einen Verweis auf den Nexus Klima und Sicherheit bei Erklärungen des Sicherheitsrates zu Irak, Haiti und einigen weiteren Fällen unterzubringen, scheiterten am Widerstand der USA. 

Für Deutschland wäre es ein großer außenpolitischer Erfolg und ein Meisterstück diplomatischen Verhandlungsgeschicks, wenn aus der offenen Debatte Ende Juli auch eine Positionierung des Sicherheitsrates resultieren würde. Allerdings bleibt die Wahrscheinlichkeit dafür angesichts der realpolitischen Gegebenheiten und dem Damoklesschwert eines Vetos der USA und Russlands gering. 
 

Andrea E. Ostheimer, Executive Director, Konrad-Adenauer-Stiftung, New York


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