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Die Emissionslücke schließen: Globaler Süden in der Mitverantwortung

Ohne erheblich mehr Klimaschutz auch in Entwicklungs- und Schwellenländern werden die Klimaziele verfehlt. Wenige Wochen vor der 26. Klimakonferenz zeigt sich eine ‘Emissionslücke‘, die sich nur durch mehr Ambitionen auch im Globalen Süden und mehr Unterstützung aus dem Norden schließen ließe.

Im Vordergrund sieht man ein Solarpanel auf einer grünen Wiese, im Hintergrund ist eine mongolische Jurte zu sehen.
Eine Familie in Tarialan, Mongolei, nutzt ein Solarpanel, um Strom für ihre Jurte zu erzeugen. (UN Photo/Eskinder Debebe)

Einer der größten Kollateralschäden der Corona-Pandemie könnte der nur langsam vorankommende Klimaschutz sein. Die Pandemie hat den internationalen Klimaprozess ausgebremst. Sie hat dazu geführt, dass viele Länder der schnellen Wiederbelebung ihrer Wirtschaft Vorrang vor dem Klimaschutz geben, der vor allem mittel- und langfristig wirkt, die Welt dann aber vor noch größeren Verwerfungen bewahren könnte.

Doch die Zeit drängt. Der erste Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarates (IPCC) hat ein dramatisches Bild der Zukunft gezeichnet. Entsprechend sollte die im November in Glasgow anstehende 26. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (UNFCC-COP26) nun einen neuen Ambitionsschub bringen, und das überall auf der Welt.

Bedeutung der Entwicklungs- und Schwellenländer

Wie wichtig auch die Entwicklungs- und Schwellenländer beim globalen Klimaschutz sind, beschreiben das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und das NewClimate Institute in der Studie „Gemeinsam Paris-Ziele und nachhaltige Entwicklung erreichen“ vom September 2021. Die Studie macht deutlich: Die Entwicklungs- und Schwellenländer verursachen bereits zwei Drittel der globalen Emissionen, Tendenz steigend. Insbesondere Länder mit niedrigem oder niedrigem mittleren Einkommen haben großen Nachholbedarf in ihrer Entwicklung. Dieser geht mit einem steigenden Energiebedarf einher.

Aus welchen Sektoren die Treibhausgasemissionen in den einzelnen Ländern vor allem stammen, kann sehr unterschiedlich sein. Der Land- und Forstwirtschaft kommt bei der Erhaltung und Wiederherstellung von Kohlenstoffsenken – zum Beispiel in Brasilien – eine zentrale Rolle zu. Brasilien und Südafrika gehören zu den größten Emittenten in der hohen mittleren Einkommensgruppe. Indien mit niedrigem mittleren Einkommen wird nach Schätzungen in der Studie um das Jahr 2050 für etwa 80 Prozent der Treibhausgasemissionen in Südasien verantwortlich sein. Dort spielt der Energiesektor eine entscheidende Rolle. Nur wenn auch die großen Emittenten im Süden ihre Volkswirtschaften langfristig dekarbonisieren, besteht überhaupt die Möglichkeit, die Klimaziele zu erreichen.

Defizite bei Zusagen, Umsetzung und Finanzierung

Mitten in der Pandemie hätten im vergangenen Jahr die einzelnen Länder ihre Zusagen zur Verringerung ihres Emissionsausstoßes aktualisieren müssen. Doch nicht alle haben dies bislang getan. Einige Länder zeigen sich ambitionierter, andere verbleiben bei ihren alten Zusagen oder fallen faktisch sogar dahinter zurück. Auch haben bislang nur wenige Länder ihre Absichtserklärungen gesetzlich verankert oder in konkrete Langfriststrategien übersetzt – die dann auch noch umgesetzt werden müssen.

Insgesamt gelten die bisherigen weltweiten Zusagen als unzureichend, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Viele der Zusagen sind zudem an die Bedingung geknüpft, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer internationale Unterstützung bei der Umsetzung erhalten – finanziell, durch Technologietransfer und den Aufbau von Kapazitäten. Doch, so zeigt die Studie, bleiben auch die Industrieländer trotz substanzieller Steigerungen bei der internationalen Klimafinanzierung hinter ihren Versprechen zurück.

„Leapfrogging“ als Chance

So setzen viele Länder im Globalen Süden weiter auf fossile Brennstoffe. Aber die Studie macht deutlich: Die Atmosphäre unterscheidet nicht zwischen Nord und Süd und nur, wenn alle Länder gemeinsam an einem Strang ziehen, lässt sich die Erderwärmung abschwächen.

Entsprechend legen die Autorinnen und Autoren einen deutlichen Schwerpunkt auf die internationale Zusammenarbeit und Entwicklungsfinanzierung. Die könne Entwicklungs- und Schwellenländer darin unterstützen, systemische Transformationen vor Ort anzustoßen und zu begleiten. So könnte es gelingen, in Ländern des Südens kohlenstoffintensive Technologien und Wirtschaftsweisen in Schlüsselsektoren wie der Energieerzeugung, dem Transportwesen und der Industrie zu überspringen („Leapfrogging“). Ärmere Länder könnten direkt in widerstandsfähigere, ökologisch und sozial nachhaltigere Wirtschaftssysteme einsteigen.

Daraus ergäben sich Synergien, wie die Schaffung von Arbeitsplätzen oder eine sauberere Umwelt, die auch dem Schutz der Gesundheit der Menschen dient. Denn neben dem Klimaschutz geht es um langfristig nachhaltige Entwicklung. So untersucht die Studie Zusammenhänge zwischen Klima- und Entwicklungspolitik in fünf wichtigen Handlungsfeldern: Energie, Städte, Landwirtschaft, Ökosysteme und Wasser.

Entwicklungszusammenarbeit an der Schnittstelle zur Klimapolitik

Die Analyse zeigt: Der Klimawandel verschärft bereits bestehende Ungleichheiten auf der Welt und erschwert es, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen. Bei der Gestaltung klima- und entwicklungspolitischer Maßnahmen müssten daher die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Entwicklung mehr Aufmerksamkeit erhalten. Nur dann könnten Synergien maximiert und Zielkonflikte zwischen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen und den SDGs minimiert werden, heißt es in der Studie.

Die Ziele des Pariser Abkommens und der Agenda 2030 müssen zusammen das gesamte auswärtige Handeln leiten, so die Empfehlung der Studie, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Auftrag gegeben wurde. Eine vorausschauende Entwicklungspolitik Deutschlands und der EU erfordere eine viel engere Abstimmung und Kohärenz mit allen Bereichen internationaler Zusammenarbeit, also auch der Diplomatie und Außenpolitik, Finanzen, Handel, Landwirtschaft und Verkehr. In diesem Sinne sollten alle entwicklungspolitischen Instrumente auf mögliche Synergien und Zielkonflikte überprüft werden.

Zudem sprechen sich die Autorinnen und Autoren der Studie für eine Stärkung der internationalen Klimafinanzierung im Verhältnis zur Entwicklungsfinanzierung aus, die durch Mobilisierung und Zuweisung zusätzlicher öffentlicher Mittel erreicht werden soll. Die Herausforderungen des Klimawandels und der nachhaltigen Entwicklung entschlossen und glaubwürdig anzugehen, sei ebenso sehr eine Frage nationaler Eigeninteressen als ein Gebot der internationalen Solidarität.

Christina Kamp


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