Toiletten für alle! Ohne sichere Sanitärversorgung ist eine nachhaltige Entwicklung nicht möglich
Die UN-Generalversammlung hat bereits 2010 den Zugang zu Toiletten in einer Resolution als Menschenrecht anerkannt. Mit SDG 6 ist der Zugang zu Wasser, angemessener, gerechter Sanitärversorgung und Hygiene (kurz zusammengefasst mit dem Akronym „WASH“) seit 2015 auch in den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) der UN verankert.
Auch mit dem Welttoilettentag bringen die UN das Thema verstärkt in den Diskurs ein, um die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass noch lange nicht alle Menschen Zugang zu einer gesicherten Sanitärversorgung haben.
Sanitärversorgung – Menschenrecht mit mangelhafter Umsetzung
Trotz dieser internationalen Anerkennung verläuft die Umsetzung schleppend. Ein neuer Bericht der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization -WHO) und des UN-Kinderhilfswerks (United Nations Children’s Fund – UNICEF) zu SDG 6 von Juli 2023 zeigt, dass 2022 immer noch 3,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer angemessenen sanitären Versorgung haben. Das entspricht über 40 Prozent der Weltbevölkerung. 419 Millionen haben sogar gar keinen Zugang zu einer Toilette. Die UN sprechen von einer sanitären Krise. Das bedeutet nicht nur, dass die Würde und Menschenrechte von Milliarden von Menschenmassiv beeinträchtigt werden, sondern zieht auch immense gesundheitliche Folgen mit sich: eine schlechte Sanitärversorgung ist die Hauptursache für die Verschmutzung von Wasser mit Krankheitserregern. Durchfallerkrankunge sind verantwortlich für den Tod von circa 520 000 Kindern jährlich – mehr als Malaria, Masern und AIDS zusammen.
Zugang zu angemessener Sanitärversorgung für alle bis 2030
Die UN wollen dem entgegenwirken – und setzen sich mit SDG 6 ehrgeizige Ziele. Bis 2030 sollen alle Menschen weltweit einen gesicherten Zugang zu einwandfreiem und bezahlbarem Trinkwasser sowie einer angemessenen und gerechten Sanitärversorgung und Hygiene haben. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten beträchtliche Verbesserungen hinsichtlich der Sanitärversorgung zu verzeichnen sind, ist es immer noch ein sehr langer Weg bis zur Erreichung von SDG 6. Der bisherige Fortschritt müsste verfünffacht werden, damit das Ziel bis 2030 noch erfüllt werden kann.
Ein gesicherter Zugang zu Toiletten bringt also vielschichtige Verbesserungen
Doch der Zugang zu sanitären Einrichtungen ist ein Querschnittsthema und nicht nur für die Erreichung von SDG 6 wichtig.
Dass durch das Vorhandensein von Toiletten Infektionen und Krankheiten verhindert werden kann und damit zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden (SDG 3) beigetragen wird, liegt auf der Hand. Da Magen- und Darminfektionen die Nährstoffaufnahme verschlechtern, kann der Zugang zu WASH aber auch Hunger und Mangelernährung entgegenwirken (SDG 2). Auch wird so insbesondere Mädchen erst der Schulbesuch ermöglicht: laut Quellen der WHO wird der Schulbesuch vor allem durch das Vorhandensein geschlechtergetrennter sanitärer Einrichtungen gefördert und somit eine Verbesserung des Zugangs zu Bildung gewährleistet (SDG 4). Dadurch, dass Toiletten Bildungschancen verbessern, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit schützen, tragen sie zur Armutsbekämpfung bei und fördern das regionale Wirtschaftswachstum (SDG 1). Eine gute und sichere Sanitärversorgung schützt zudem besonders wasserverbundene Ökosysteme und stärkt klimaverbundene Resilienz.
Unsichere Wasser- und Sanitärsysteme hingegen können schwerwiegende Folgen für die Umwelt bedeuten. Somit bringt die Investition in WASH-Projekte vielschichtige Vorteile mit sich, fördert die Lebensqualität, die Widerstandsfähigkeit und die nachhaltige Entwicklung im Allgemeinen.
Besonders betroffen: Frauen und Mädchen
Toiletten sind außerdem ein wichtiger Bestandteil für die Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit (SDG 5). Der Bericht der WHO und von UNICEF zu SDG 6 legt Augenmerk auf die Situation von Frauen und Kindern, die besonders von prekären Sanitärsituationen betroffen sind. Das hat schwerwiegende Konsequenzen. Überall auf der Welt sind Frauen in großem Ausmaß zum Beispiel für die Pflege von Kindern, alten, und erkrankten Menschen – die sogenannte „Care-Arbeit“ – verantwortlich, die zusätzliche Hygienemaßnahmen erfordert. Darüber hinaus erhöht ein schlechter Zugang zu sanitären Anlagen das Risiko sexualisierter Gewalt. Laut UN Women sind Frauen, die nicht über eine private Toilette verfügen, doppelt so oft sexualisierter Gewalt durch fremde Menschen ausgesetzt. Dazu kommt, dass menstruierende Personen besonders dringend einen gesicherten Zugang zu Sanitär- und Hygieneeinrichtungen benötigen, um ausreichend Privatsphäre bei der Menstruationshygiene zu haben und sich vor Krankheiten und Infektionen zu schützen. Ein fehlender Zugang zu Toiletten und mangelnde Menstruationsprodukte sind der Grund, weshalb viele Frauen und Mädchen während ihrer Periode nicht die Schule besuchen oder zur Arbeit gehen können, und sozialen Aktivitäten fernbleiben – vor allem in Ländern des Globalen Südens, aber auch im Globalen Norden: Von bis zu 100 000 Personen in Deutschland, denen die Möglichkeiten fehlen, sich (ausreichend) Periodenprodukte zu finanzieren, geht der Verein Periodensystem e.V. aus.
Die wichtigsten Schritte für eine gerechte Sanitärversorgung: Investitionen und Bewusstsein
Bemühungen zur Verbesserung der globalen Sanitärkrise sind also eine wichtige Grundlage für nachhaltige Entwicklung. Wie viele Dinge benötigt aber auch dieses Ziel Investitionen. Laut des Auswärtigen Amtes haben Investitionen in die sanitäre Versorgung neben der gleichzeitigen Förderung weiterer SDGs aber einen besonders großen wirtschaftlichen Nutzen: Jeder Euro, der in den gesicherten Zugang von Toiletten gesteckt wird, könne das Bruttoinlandsprodukt um acht Euro steigern. Eine Win-Win-Situation also.
Neben Investitionen fehlt es auf globaler Ebene aber auch immer noch an dem notwendigen Bewusstsein. Zahlreiche Initiativen bemühen sich bereits tagtäglich um mehr Sichtbarkeit der Sanitärkrise. Obwohl jeder Mensch überall auf der Welt tagtäglich auf den Zugang zu WASH angewiesen ist, ist das Thema Sanitärversorgung – und ganz besonders im Hinblick auf die Bedürfnisse menstruierender Personen – noch immer weitgehend tabuisiert. Es ist wichtig, dass Themen wie der tägliche Gang aufs „stille Örtchen“ oder die Menstruation in der breiten Öffentlichkeit positiv, seriös und schambefreit diskutiert werden. Schließlich ist die gesicherte Sanitärversorgung ein Menschenrecht.
Carolin Funcke