Menü

Wasser als Friedensstifter: Wie die UN-Wasserkonvention von Helsinki internationale Zusammenarbeit beschleunigt

Fast die Hälfte der Erdoberfläche ist von Gewässern bedeckt, die von zwei oder mehr Ländern genutzt werden. Wasserkooperation - auch auf UN-Ebene - ist deshalb unabdingbar, gelingt aber nicht immer. Ein Überblick.

Ein Entwässerungsgraben ist im Bild rechts zu sehen, links sitzen und gehen Menschen.
Ein Entwässerungsgraben in Malakal, Südsudan. (UN Photo/JC McIlwaine)

Rund um den Globus definiert Wasser Grenzen und überschreitet sie. Die Donau, der mächtige Strom zwischen Schwarzwald und Schwarzem Meer, ist ein gutes Beispiel dafür. Sie definiert Landesgrenzen – beispielsweise zwischen Rumänien und Bulgarien – und verbindet auf ihren rund 2850 Kilometern die Bevölkerungen von zehn Ländern.

Dies ist nur eines von vielen Beispielen weltweit. Fast die Hälfte der Erdoberfläche ist von Gewässern bedeckt, an die zwei oder mehr Ländern angrenzen. Drei Viertel der UN-Mitgliedsstaaten teilen sich einen Fluss oder See mit einem Nachbarland. Solche Gewässer verbinden nicht nur Nationen, sie versorgen sie auch: Über 40 Prozent der Weltbevölkerung ist auf Süßwasser aus Flüssen angewiesen, die durch zwei oder mehr Länder fließen. Gleichzeitig liegen mehr als 60 Prozent des Süßwassers in grenzüberschreitenden Flussgebieten. Viele der größten Flüsse der Welt kreuzen Ländergrenzen: neben der Donau sind das beispielsweise der Nil, Kongo, Ganges, Amazonas und der Mekong.

Wasserknappheit durch Klimawandel

Der Klimawandel bedroht die Wassersicherheit. Extreme Wetterereignisse nehmen zu; allein in den letzten Monaten hat die Welt mehrere zerstörerische Überschwemmungen erlebt. Wasserknappheit ist ein wachsendes Problem. Mehr als die Hälfte der größten Seen weltweit verliert große Mengen Flüssigkeit, wie ein internationales Forschungsteam mit Satellitentechnik kürzlich feststellte. Der Bodensee beispielsweise, den sich Deutschland, Österreich und die Schweiz teilen, verliert rund einen Zentimeter Pegelhöhe pro Jahr. Bis 2050 wird mindestens jeder vierte Mensch von einem wiederkehrenden Mangel an Süßwasser betroffen sein.

Gerade in Gebieten, in denen Wasser bereits knapp ist oder knapper wird, ist die Zusammenarbeit zwischen Anrainerstaaten unerlässlich – auch um Konflikte über die lebenswichtige Ressource vorzubeugen. Es ist ein entscheidendes Thema für das 21. Jahrhundert, denn Wasser kann Motor für Zusammenarbeit, nachhaltige Entwicklung und Frieden sein – aber eben auch eine Konfliktquelle.

Der Funken von Helsinki entfachte globale Zusammenarbeit

Auf UN-Ebene hat sich die Wasserkooperation vor drei Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Im Frühjahr 1992 versammelten sich Regierungen in Helsinki, Finnland, um einen internationalen Rahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Wassersektor zu schaffen. Nach substanziellen Verhandlungen wurde die sogenannte ‘Wasserkonvention’ - Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (Convention on the Protection and Use of Transboundary Watercourses and International Lakes) - verabschiedet. Sie hat eine visionäre Plattform für das Management gemeinsamer Gewässer geschaffen – erst nur für den europäischen Raum, inzwischen weltweit. Die ersten Unterzeichner waren sich womöglich nicht bewusst, wie relevant der Text im beginnenden 21. Jahrhundert sein würde.

Die Wasserkonvention von 1992 fungiert als globales Forum zur Unterstützung von grenzüberschreitender Wasserzusammenarbeit  – zum Beispiel durch das Treffen der Vertragsstaaten alle drei Jahre (Meeting of the Parties – MOP), verschiedene Expertenarbeitsgruppen und durch den Austausch von bewährten Politikansätzen und nützlichen Leitlinien zur Unterstützung von internationaler Wasserkooperation. Der Wasserkonvention gehören mittlerweile 49 Vertragsstaaten an, rund 130 UN-Mitgliedsstaaten nehmen an ihren Aktivitäten teil.

Weltwasserkonferenz: Rückendeckung für eine globale Wasserpolitik

Derzeit ist Bewegung auf internationaler Bühne zu spüren. Während der  Weltwasserkonferenz im März 2023 schallte ein Wort immer wieder durch die Sitzungssäle in New York: Kooperation.

In dem Hauptergebnis der Konferenz, dem Wasseraktionsprogramm (Water Action Agenda), einer Sammlung von Selbstverpflichtungen von Staaten, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, finden sich über 40 Verpflichtungen mit Vorhaben zur grenzüberschreitenden Wasserkooperation. Die Delegationen von 70 Ländern erwähnten grenzüberschreitende Wasserzusammenarbeit in ihren Reden im Plenarsaal. Konkrete Schritte wurden schon während der UN-Wasserkonferenz angekündigt: Mehr und mehr Länder erklärten ihre Bereitschaft, der Wasserkonvention beizutreten, und folgten damit dem energischen Appell des Generalsekretärs António Guterres. Nigeria und Irak sind noch während der Weltwasserkonferenz der UN-Wasserkonvention von Helsinki beigetreten.

Wasser als Friedensstifter: Bemühungen müssen beschleunigt werden

Beim diesjährigen Hochrangigen Politischen Forum über Nachhaltige Entwicklung (High-Level Political Forum on Sustainable Development – HLPF) stand im Juli 2023 auch das Ziel für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal - SDG) 6 'Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen' im Fokus. Im SDG-Indikator 6.5 wurde die Überwachung der grenzüberschreitenden Wasserkooperation verankert und die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (United Nations Economic Commission for Europe - UNECE) und die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) mit der Überprüfung dieses Indikators beauftragt. Dieses Jahr werden alle UN-Mitgliedsländer, die Gewässer teilen, neue Daten zu ihrer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit an UNECE und UNESCO einreichen.

Allerdings haben nur 24 Länder weltweit alle ihre gemeinsamen Gewässer durch operative Vereinbarungen für die Zusammenarbeit im Bereich Wasser abgedeckt. Wasser kennt keine politischen Grenzen und ein deutlicher Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Wassersektor ist dringend erforderlich – es wäre auch ein entscheidender Beitrag zur UN-Dekade ‘Wasser für nachhaltige Entwicklung’ (2018–2028).

Wasser birgt ein großes Potenzial als Friedensstifter, aber eben auch als Konfliktquelle – Bemühungen für mehr grenzüberschreitende Kooperation müssen beschleunigt werden, um eine nachhaltige globale Wasserpolitik zu erreichen.

Sonja Köppel, Leiterin des Sekretariats der UN-Wasserkonvention von 1992, Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) und Elise Zerrath, Associate Expert im Sekretariat der UN-Wasserkonvention


Das könnte Sie auch interessieren