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Weltklimarat: Es wird eng, aber die Menschheit kann den Klimawandel noch entschärfen

Die Zeit wird knapp, um den Klimawandel zu begrenzen. Dabei verfügt die Menschheit längst über die Technologien und Maßnahmen, um dessen Folgen abzumildern, heißt es im neuen Kapitel des Weltklimarat-Berichts.

Ein Windrad vor einem leuchtend blauen Himmel.
Der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien wie Windkraft ist dringend notwendig, um CO2 einzusparen. (UN Photo/Mark Garten)

Das Zeitfenster für wirkungsvollen Klimaschutz schließt sich bald. Deshalb braucht es jetzt Maßnahmen, die den Klimawandel abmildern. Das geht aus dem dritten Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC der Vereinten Nationen hervor, den der Zwischenstaatliche Ausschuss Anfang April vorgelegt hat.

Der Report trägt den Titel „Minderung des Klimawandels“, es geht also um Auswege aus der Klimakrise. Wie es gelingen kann, dass der weltweite CO2-Ausstoß zügig sinkt, haben über 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für den jetzt erschienenen Bericht zusammengetragen. Dazu haben sie über 18.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen begutachtet und ausgewertet.

Effektive Mittel sind schon vorhanden

Ihr Fazit: Die Maßnahmen, die es braucht um den Klimawandel zu bekämpfen, sind bereits verfügbar. „Wir haben die Instrumente und das Know-how, um die Erwärmung zu begrenzen", sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. „Es gibt politische Maßnahmen, Vorschriften und Marktinstrumente, die sich als wirksam erweisen. Wenn diese in größerem Umfang und auf breiterer und gerechterer Basis angewandt werden, können sie zu tiefgreifenden Emissionssenkungen beitragen und Innovationen anregen".

Um den Klimawandel einzudämmen, braucht es sofortige und weitreichende Emissionsminderungen in allen Sektoren wie Strom, Verkehr, Wohnen und Industrie. Im IPCC-Bericht wurden unterschiedliche Pfade ausgewertet, wie sich der globale Ausstoß der Treibhausgase in den nächsten Jahren entwickeln könnte, wenn bestimmte Maßnahmen ergriffen werden.

Umfassender Ausbau erneuerbarer Energien

Als wirksamsten Schritt bezeichnet der IPCC-Bericht den raschen Ausbau der erneuerbaren Energie. Es sei notwendig Windkraft- und Photovoltaikanlagen sehr schnell auszubauen, weil das am stärksten zu CO2-Einsparungen betragen kann. Doch nicht nur im weltweiten Stromsystem braucht es mehr Ökoenergien. Auch im Verkehr und in Gebäuden müsste auf fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Erdgas oder Erdöl zügig verzichtet werden. Stattdessen braucht es einen stärkeren Einsatz von Batterien in Autos und Wärmepumpen in Autos.

Auf diese Technologien zu setzen sei auch wirtschaftlich sinnvoll, weil die Preise für Erneuerbare in den vergangenen Jahren stark gefallen seien. So seien die Kosten für Solarenergie und für Lithium-Ionen-Batterien seit 2010 um 85 Prozent gefallen, bei Windkraftanlagen sind die Kosten immerhin um 55 Prozent zurückgegangen.

Ausgestoßenes CO2 muss aufwändig wieder aus der Atmosphäre geholt werden

Neben technischen Lösungen müssen auch die natürlichen CO2-Speicher künftig besser geschützt werden, empfiehlt der Bericht weiter. Wälder oder Moore binden große Mengen an Kohlenstoff, wenn sie in intaktem Zustand sind. Deshalb sollen die Wälder weltweit vor Abholzung geschützt werden. Darüber hinaus sollen viel mehr neue Bäume gepflanzt werden, da Bäume beim Wachstum Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen und dieses binden.

Solche Prozesse, bei denen CO2 aus der Atmosphäre geholt wird, werden in der Forschung als negative Emissionen bezeichnet. Sie sind unverzichtbar, um den massiven CO2-Ausstoß der Menschen auszugleichen. Denn selbst in den optimistischsten Klimaszenarien des Weltklimarats gelingt es zwar, das 1,5-Grad-Ziel langfristig einzuhalten, aber das Ziel wird kurzfristig gerissen. Das heißt die Temperaturen steigen um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter an, um dann durch den gezielten Einsatz von negativen Emissionen wieder zu sinken.

Der IPCC hat den aktuellen Wissensstand zum Klimawandel zusammengetragen

Die Menschheit kann den Klimawandel also nur noch begrenzen, wenn sie Wege findet, bereits ausgestoßenes CO2 wieder aus der Atmosphäre zu filtern. Aus Sicht der IPCC-Autorinnen und -Autoren müssen dabei auch Techniken zum Einsatz kommen, die noch nicht im großen Maßstab erprobt sind – wie etwa Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS). Dabei wird Biomasse, beispielsweise Holz, verbrannt und das dabei freiwerdende CO2 mit Filtern aufgefangen und in unterirdischen Speichern gelagert. Klimaschützerinnen und -schützer warnen vor den zum Teil schwer absehbaren Folgen dieser Techniken.

Der jetzt vorgelegte Bericht ist Teil einer umfassenden Bestandsaufnahme zum aktuellen Wissen über den Klimawandel. Teil 1 behandelte die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und erschien schon im vergangenen August. Teil 2 erschien vor wenigen Wochen und thematisierte die Folgen des Klimawandels.

Treibhausgasausstoß hoch wie nie zuvor

Am Anfang des Berichts nehmen die Autorinnen und Autoren eine Einschätzung vor: Obwohl eigentlich seit Jahrzehnten bekannt ist, dass die Treibhausgasemissionen sinken müssen – den ersten Sachstandsbericht hat der Weltklimarat der UN immerhin 1990 vorgelegt – waren die Emissionen zwischen 2010 und 2019 so hoch wie nie. Das Wachstum der CO2-Emissionen hat sich zwar im vergangenen Jahrzehnt etwas verlangsamt, aber das bisherige Tempo beim Klimaschutz reicht eben nicht für das 1,5-Grad-Ziel.

„Wir befinden uns auf der Überholspur zur Klimakatastrophe“, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, bei der Vorstellung des Berichts. „Klimawissenschaftler warnen, dass wir bereits gefährlich nahe an Kipppunkten stehen, die zu kaskadenartigen und unumkehrbaren Klimawandelfolgen führen könnten. Doch die Regierungen und Unternehmen, die hohe Emissionen verursachen, verschließen nicht nur die Augen, sondern heizen die Flammen weiter an“.

Treibhausgasemissionen müssen schnell sinken

Das 1,5-Grad-Ziel hat die Weltgemeinschaft 2015 auf dem Klimagipfel in Paris beschlossen. Das soll die Risiken des Klimawandels, die mit steigenden globalen Durchschnittstemperaturen infolge des CO2-Ausstoßes einhergehen, begrenzen. Mittlerweile ist die weltweite Durchschnittstemperatur schon um 1,1 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter angestiegen. Damit die 1,5-Grad-Grenze nicht überschritten wird, darf nur noch eine begrenzte Menge an Kohlendioxid ausstoßen werden.

Die Schlussfolgerung des IPCC-Berichts: Die weltweiten Treibhausgasemissionen müssen zwischen 2020 und 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben. Danach muss der Treibhausgasausstoß weltweit und rasch sinken. Bis 2030 müssten die Emissionen um 43 Prozent fallen, damit das 1,5-Grad-Ziel noch eingehalten werden kann. Ab den 2050er-Jahren müsste die Welt komplett klimaneutral sein, um die Klimakrise noch halbwegs eindämmen zu können. Die nächsten Jahre entscheiden also darüber, ob es noch gelingt, den Klimawandel abzumildern. „Wir befinden uns an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern", sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee.

Von Sandra Kirchner

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