Welche Rolle spielt Deutschland?
Seit dem Beitritt in die UN ist das Engagement Deutschlands stetig gewachsen und die UN sind zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Außenpolitik geworden. Zugleich ist Deutschland inzwischen der viertgrößte Beitragszahler für den ordentlichen UN-Haushalt.
Ursprünglich entstand die Idee der Vereinten Nationen 1942 während des Zweiten Weltkrieges, um sich gegenseitig im Kampf gegen Deutschland zu unterstützen. Inzwischen ist Deutschland seit 1973 Mitglied der 1945 gegründeten Vereinten Nationen. Seitdem ist das deutsche Engagement in den Vereinten Nationen stetig gewachsen und die UN sind zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Außenpolitik geworden. Zugleich ist Deutschland einer der bedeutendsten Geldgeber: Deutschland ist inzwischen der viertgrößte Beitragszahler für den ordentlichen UN-Haushalt. Da die Bundesrepublik zudem erhebliche freiwillige Beiträge zu Einzelprogrammen der Vereinten Nationen leistet, ist Deutschland insgesamt gesehen - nach den USA - der zweitwichtigste Geldgeber der Vereinten Nationen. Im Jahr 2021 hat Deutschland insgesamt ungefähr 5,2 Milliarden Euro (6,1 Millarden US-Dollar) an die Vereinten Nationen gezahlt, beziehungsweise über das System der UN in Form von Projekten abgewickelt.
Während der Pflichtanteil Deutschlands am regulären Haushalt von 2013 bis 2021 sogar leicht gesunken ist, stiegen die freiwilligen Beiträge an einzelne UN-Organisationen wie dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), dem Welternährungsprogramm (WFP), dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und zuletzt auch für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an. Der Anteil solcher freiwilligen Beiträge am deutschen Gesamtbeitrag liegt derzeit bei 86 Prozent.
Stark gestiegen waren bis 2020 auch die deutschen Zahlungen an entwicklungsbezogenen Mitteln für das Entwicklungsprogramm (UNDP), wobei diese 2021 erstmal wieder zurückgingen. Der größte Anstieg der letzten Jahre fällt zudem auf zweckgebundene Beiträge, also auf Gelder, die mit klaren geografischen, thematischen oder projektgebundenen Zielen verknüpft sind. Während der Einfluss der Bundesregierung auf die Verwendung von nicht zweckgebundenen Mitteln begrenzt ist, können Zahlungen von zweckgebundenen Mitteln wesentlich stärker an Bedingungen geknüpft werden. Damit sind derartige Beiträge auch als Teil der deutschen Außenpolitik zu betrachten.
Zugenommen hat auch die Höhe der deutschen freiwilligen Kernbeiträge, die die jeweiligen UN-Organisationen flexibel und nach Bedarf verwenden dürfen. Eine wesentliche Ursache ist die Unterstützung zahlreicher internationaler UN-Programme im Rahmen der COVID-19-Nothilfe. Finanziert werden vor allem Hilfen für stark von der Pandemie betroffene ärmere Länder. Die Hilfe reicht von der Beschaffung wichtiger Laborausrüstung über Informationskampagnen bis hin zu Luftbrücken für Hilfsgüter.
Warum Deutschland freiwillig mehr finanzielle Verantwortung übernimmt
Die zunehmende Höhe freiwilliger Beiträge Deutschlands und davon insbesondere der zweckgebundenen Mittel lässt sich einerseits durch die gewachsene Rolle der Bundesrepublik innerhalb des UN-Systems erklären. Andererseits hat die durch den Syrien-Krieg ausgelöste Krise zu dem steigenden Anteil freiwilliger Zahlungen beigetragen: Von den durch den Krieg ausgelösten Fluchtbewegungen war und ist Deutschland sowohl innen- als auch außenpolitisch betroffen. Als Folge hat Deutschland nach den großen Fluchtbewegungen des Jahres 2015 seine freiwilligen Beiträge beispielsweise an UNHCR, WFP, UNICEF und die Internationale Organisation für Migration (IOM) deutlich erhöht. Neben der Nothilfe ist ein Ziel vieler dieser Programme, Fluchtbewegungen zu reduzieren, Migration zu kanalisieren und Menschen beim Verbleib in ihren Heimatländern zu unterstützen.
Ende der Doppelmitgliedschaft und außenpolitische Emanzipation
Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1973 zusammen mit der Deutschen Demokratischen Republik Mitglied der Vereinten Nationen. Als die Zeit der 17-jährigen Doppelmitgliedschaft infolge der deutschen Wiedervereinigung im Oktober 1990 beendet wurde, entstand für Deutschland eine vollkommen neue Situation: Die beiden vereinigten deutschen Staaten sollten künftig als ein gemeinsamer Staat in den UN auftreten. Zudem brachte der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990, der die außenpolitischen Aspekte der deutschen Vereinigung regelte, dem vereinten Deutschland die vollständige Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten. Bereits in einer ersten Erklärung zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, die allen Regierungen, mit denen Deutschland diplomatische Beziehungen unterhielt, übermittelt wurde, kündigte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl eine aktivere Rolle Deutschlands auch im Bereich der UN-Friedenssicherung an. Wenige Tage zuvor hatte bereits der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher vor der UN-Generalversammlung erklärt, dass Deutschland sich seiner größer gewordenen Verantwortung bewusst sei, diese annehmen und sich stärker im Rahmen der Vereinten Nationen engagieren werde.
Zwar war die Bundesrepublik bereits vor der Wiedervereinigung ein engagiertes Mitglied der Vereinten Nationen, im Bereich der UN-Friedenssicherung ist Deutschland jedoch auch heute noch ein vergleichsweise junger Akteur, da angesichts der innenpolitischen Einschränkungen die Beteiligung an internationalen Friedensmissionen überhaupt erst seit Anfang der 1990er-Jahre in nennenswertem Ausmaß möglich wurde. Wegbereitend war hierfür das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Jahr 1994. Dieses Urteil trug zur außenpolitischen Emazipation Deutschlands bei, was sich auch auf das finanzielle Engagement innerhalb des US-Systems auswirkte: Mit der steigenden Verantwortung übernahm Deutschland auch mehr finanzielle (und zum Teil auch) personelle Verpflichtungen.
Deutsche Akteure in Friedenseinsätzen
Zwar ist Deutschland ein wichtiger Geldgeber für UN-Friedensmissionen, bei der personellen Beteiligung nimmt Deutschland jedoch traditionell hintere Ränge ein. Weltweit sind derzeit mehr als 85 000 Personen in 12 Friedenseinsätzen im Einsatz. Für Deutschland sind etwa 700 Personen im Einsatz, darunter neben Militär- und Polizeipersonal auch zivile Expertinnen und Experten. Sie alle sind Teil von Missionen internationaler Organisationen und setzen die Mandate der UN-Friedenseinsätze um.
Hintergrundinformationen Vorschläge zum künftigen deutschen Finanzengagement
Die Bundesrepublik Deutschland ist in den letzten Jahren ein sehr großer, aber mitnichten ein "guter" Geldgeber in einem regelorientierten Multilateralismus geworden. Zwar bleibt zu erwarten, dass Deutschland noch ein paar Jahre lang freiwillig so intensiv in das UN-System einzahlen wird, wie es gegenwärtig der Fall ist. Sollte aber die politische Bedeutung von Flucht und Migration zugunsten anderer Prioritäten plötzlich an Gewicht verlieren oder sollten die Haushaltsmittel in einem wirtschaftlichen Abschwung wieder knapper werden, ist das Risiko sehr hoch, dass Deutschland seine Mittel ebenso schneller wieder kürzen wird, wie sie innerhalb kurzer Zeit erhöht worden sind. Insbesondere der große Teil der zweckgebundenen Beiträge würde dann schneller als erwartet auslaufen.
Wenn es Deutschland also ernst damit meint, den Multilateralismus auch langfristig finanziell stützen zu wollen, ist es jetzt an der Zeit, politisches Kapital dafür einzusetzen und die Pflichtbeiträge im gesamten UN-System "zeitnah und vollständig" entsprechend der jeweiligen Haushaltsordnung zu zahlen. Darüber hinaus sollte erwogen werden, die Pflichtbeiträge in den Teilen des UN-Systems freiwillig zu erhöhen, die sich an der Beitragsskala der Vereinten Nationen orientieren. Das bedeutet, auch gegen den Widerstand einzelner großer Beitragszahler für politische Veränderungen in der Finanzierungslandschaft zu sorgen, statt sich mit zweckgebundenen freiwilligen Mitteln "freizukaufen". Dies würde auch eine Verlagerung der Entscheidungskompetenzen in die multilateralen Gremien der einzelnen UN-Organisationen bedeuten, statt einer nationalen Mikrosteuerung durch zweckgebundene Mittel.
Quelle (Auszug, geringfügig bearbeitet): Deutschlands Finanzbeiträge zum UN-System zwischen 2008 und 2018 | Hüfner, Patz, VEREINTE NATIONEN 6/2019.