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Der SDG-Gipfel: Ist der Planet noch zu retten?

Am 24. und 25. September 2019 findet in New York der SDG-Gipfel der Vereinten Nationen statt. Ziel ist es, eine erste Zwischenbilanz zu den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) zu ziehen. Derzeit sind die Staaten nicht auf Erfolgskurs.

Der UN-Generalsekretär geht auf der Insel Tuvalu im Südpazifik spazieren.
UN-Generalsekretär António Guterres am Strand von Tuvalu, einem vom Klimawandel extrem betroffenen Inselstaat. (UN Photo/Mark Garten)

Es wird das erste Treffen auf Führungsebene sein, seit die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) 2015 verabschiedet wurde. Die Erwartungen an das zweitägige Treffen sind hoch. „Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um den Planeten zu retten und eine nachhaltige, integrative menschliche Entwicklung zu erreichen“, erinnert UN-Generalsekretär António Guterres im aktuellen SDG-Bericht. Doch wie steht es bisher mit den SDGs? Und was sind die Erwartungen an den Gipfel in New York?

Ziel ist es, das kommende Jahrzehnt so zu gestalten, dass die SDGs noch vor Ablauf der Frist im Jahr 2030 erreicht werden. Neben der politischen Führungsebene der Regierungen werden Vertreterinnen und Vertreter aus Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen zusammenkommen.

Bereits auf dem letzten Treffen des Hochrangigen Politischen Forums über Nachhaltige Entwicklung (High-level Political Forum on Sustainable Development – HLPF) im Juli 2019 wurde eine politische Deklaration verfasst, die zu Beginn des Gipfels angenommen werden soll. Parallel finden vom 23. bis 27. September 2019 in New York weitere UN-Sonderveranstaltungen statt, unter anderem der Climate Action Summit sowie Foren zur Gesundheitsversorgung und zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung.
 

Positive Entwicklungen im Bereich Armutsbekämpfung, Gesundheit und Arbeitsproduktivität

Bei einigen SDGs können seit ihrer Verabschiedung positive Entwicklungen gemessen werden. So ist zum Beispiel der Anteil der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung im Jahr 2018 auf 8,6 Prozent gesunken, verglichen mit zehn Prozent im Jahr 2015. Sollten sich aktuelle Entwicklungen jedoch fortsetzen, muss damit gerechnet werden, dass im Jahr 2030 immer noch sechs Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut leben werden. Das Ziel wäre damit verfehlt.

Fortschritte wurden auch beim Ziel der weltweiten Verbesserung im Gesundheitsbereich erreicht. So wurde die Mütter- und Säuglingssterblichkeit gesenkt. Bei unter 5-Jährigen sank die Sterblichkeitsrate zwischen 2000 und 2017 um 49 Prozent. Zudem steigt die Lebenserwartung weltweit weiter an. Doch auch in diesem Bereich können trotz Fortschritten die Zielvorgaben bei gegenwärtigen Entwicklungen nicht erreicht werden. Gründe dafür liegen unter anderem in der wachsenden Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten und gesundheitsschädliche Umweltfaktoren. Eine weitere positive Entwicklung ist die weltweit gestiegene Arbeitsproduktivität. Die Arbeitslosigkeit ist wieder auf das Niveau von vor der Finanzkrise zurückgekehrt.
 

Negative Entwicklungen im Bereich Hunger, Artenvielfalt und Klima

Bei einigen der 17 Ziele sind jedoch sehr besorgniserregende Entwicklungen zu beobachten – zum Beispiel bei dem Ziel, den Hunger zu beenden: Seit 2014 steigt die Zahl der hungernden Menschen wieder an. Im Jahr 2017 waren schätzungsweise 821 Millionen Menschen unterernährt, genauso viele wie 2010. Die große Herausforderung besteht auch darin, nach Konflikten, klimabedingten Schocks und wirtschaftlichen Rezessionen den Zugang zu Nahrung für alle zu sichern.

Auch beim SDG 15 sind die Entwicklungen beunruhigend, denn die biologische Vielfalt nimmt so schnell ab wie nie zuvor. Zwanzig Prozent der gesamten Landfläche der Erde wurden allein zwischen 2000 und 2015 degradiert, also durch Erosion, Versalzung, Übernutzung oder Austrocknung stark beeinträchtigt und dadurch unfruchtbar gemacht. Eine Million Arten sind direkt vom Aussterben bedroht, so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Dies konfrontiert uns mit zunehmend irreversiblen Veränderungen der Ökosysteme der Erde, mit unvorhersehbaren Folgen für den Menschen.

Die größte Herausforderung für eine nachhaltige Entwicklung ist die Klimakrise. Da die Treibhausgaswerte weiter steigen, verläuft die globale Erwärmung viel schneller als erwartet und ihre Auswirkungen sind weltweit spürbar. Da sich die klimabedingten Effekte beschleunigen, bleibt sehr wenig Zeit zum Handeln. Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius ist notwendig, um katastrophale und irreversible Schäden zu vermeiden.

Veränderungen durch die Zivilgesellschaft

Es war einer der größten Beteiligungsprozesse, der zur Verabschiedung der UN-Nachhaltigkeitsziele geführt hat. Das gemeinsame Anpacken globaler Probleme ist eine große Errungenschaft. Doch vier Jahre nach der Verabschiedung der SDGs müssen wir feststellen, dass die Weltgemeinschaft nicht auf dem richtigen Weg ist, diese Ziele zu erreichen. Die meisten Regierungen haben es versäumt, die Vision der Agenda 2030 in eine echte transformatorische Politik umzusetzen.

Doch Veränderungen sind erkennbar. Weltweit sind neue soziale Bewegungen entstanden, viele davon mit jungen Menschen und Frauen an der Spitze. Sie stellen nicht nur Regierungen infrage, sondern teilen eine grundlegendere Kritik an ungerechten sozialen Strukturen und Machtverhältnissen. Um die SDGs zu erreichen, sind ganzheitliche und umfassende Veränderungen in der Art und Weise, wie und wo Macht ausgeübt wird, erforderlich. Es bedarf eines Paradigmenwechsels, bei dem rechtliche, soziale, wirtschaftliche, institutionelle und politische Verpflichtungen zur Verwirklichung der Menschenrechte im Mittelpunkt stehen.

Die UN erklären als Ziel des Gipfels, weitere Unterstützung für Maßnahmen zur Erreichung der SDGs zu mobilisieren. Das Treffen ist eine wichtige Gelegenheit, die Umsetzung der Agenda 2030 voranzutreiben, zum Beispiel durch ehrgeizige SDG-Beschleunigungsmaßnahmen. Es bleibt jedoch fraglich, ob diese Maßnahmen ausreichen oder ob die Entwicklungen seit 2015 – besonders im Hinblick auf das Artensterben und die Klimakrise – umfassendere Veränderungen erfordern.

Laura Reiner


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