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Kleinfischerei in Senegal im Zeichen von Klimawandel und Umweltschutz

Eines der artenreichsten Fischgebiete Westafrikas liegt im Mündungsdelta des Sine-Saloum. Doch Klimawandel und Überfischung hinterlassen auch dort ihre Spuren. Programme zur Wiederaufforstung zerstörter Mangrovenwälder und zum Aufbau kleiner Fischfabriken steuern dagegen.

Auf Holzgestellen ist jede Menge Fisch zum Trocknen ausgebreitet
Zum Trocknen ausgebreiteter Fisch auf dem Markt von Djiffer im Saloum-Delta. (Foto: Manfred Loimeier)

Schillernd brechen sich die Sonnenstrahlen entlang einer eigenartigen Linie auf der Wasseroberfläche des Saloum, weit draußen im Mündungsdelta dieses Flusses in Senegal, Westafrika. Im Rücken liegen die Mangrovenwälder mit ihren kanalartigen Flusspassagen und den breiteren Seitenarmen der Flüsse Sine und Saloum, die beide der Region den Namen gaben: Sine-Saloum. Es ist eine Region, die wegen der Vielfalt der Tiere eine touristische Destination ist, die teilweise zum Weltnaturerbe der UNESCO zählt, und die ein UN-geschütztes Mündungsgebiet ist, dessen zahlreiche Inseln im Delta unter dem Namen Îles du Saloum zusammengefasst werden. Und: Das Sine-Saloum-Delta ist eine der fischreichsten Gegenden Westafrikas.

Die eigenartige Linie dort, wo es hinausgeht auf das offene Meer des Atlantik – das ist die Linie, die sich bildet, wenn die Strömung des Saloum auf das Salzwasser des Ozeans trifft: flusswärts ist es ein kräftiges Streben in flachen Wellen, ozeanseitig ein schon etwas aufgewühlter Seegang mit kräuselnden Wogen. Und hier sowie im Süden der sogenannten Petite-Côte, die sich von Senegals Hauptstadt Dakar bis Gambia erstreckt, fahren die Fischer in ihren buntbemalten Pirogen hinaus ins Delta oder noch weiter aufs Meer. Als „Bauch des Ozeans“ bezeichnet die senegalesische Schriftstellerin Fatou Diome in ihrem gleichnamigen Roman diese Gegend – die Autorin stammt selbst von der kleinsten Insel der Îles du Saloum, von Niodior.

Mühsame Austernernte im Schlick

Weil der Wasserstand infolge des Klimawandels im Sine-Saloum-Delta sinkt, müssen die Fischer den Fischen folgen. Und was die Frauen angeht, die im breiten, mitunter nicht allzu tiefen Delta Krabben und Krebse fangen und die Austern von den üppig beladenen Mangrovenbäumen sammeln, so müssen auch sie immer weiter hinaus ins Delta waten, durch den Schlamm und den Schlick mit den gelegentlich plötzlichen Untiefen. Die Frauen haben sich organisiert und begonnen, zerstörte Mangrovenbestände wiederaufzuforsten. Deren Zerstörung ist nicht allein auf den sinkenden Wasserstand und den Klimawandel zurückzuführen, sondern auch auf die Austernfischerei selbst. Lange wurden Mangrovenäste mit Austernbestand einfach abgeschnitten und dann an Land abgeerntet, weil das weniger mühsam war als die Plackerei im Wasser mit der schweren Ernte auf dem Rücken. Meeresschutzzonen tragen nun zum Erhalt der Mangrovenwälder bei – und kommen auch dem Fischbestand zugute.

Eine Frau mit grün-gelbem Tuch um den Kopf blickt in die Kamera und deutet auf einen großen Räucherofen.
Ein Mitglied der Fischerinnenvereinigung von Dionewar zeigt die Räucheröfen in der Fischfabrik. (Foto: Manfred Loimeier)

Es ist ja alles nicht so einfach. Die vermeintlich Guten verursachen durchaus auch Schäden, und die vermeintlich Bösen handeln zum Teil ganz rechtmäßig. Weil Kleinfischer mit ihren Pirogen weiter hinaus aufs Meer fahren, kommen sie mitunter großen Fischtrawlern ins Gehege. Sie haben die 6-Meilen-Zone nicht beachtet, beschweren sich die Großfischer; die Trawler seien zu nah an die Küsten gefahren, sagen die Kleinfischer. Es sei schwierig, auf offener See in Pirogen die Distanzen zu berechnen, heißt es zugunsten der Kleinfischer; für manche Trawler lägen noch Lizenzen für die Fischerei bestimmter Fischarten vor, die küstennah zu finden seien, heißt es zugunsten der Großfischer. Beides ist richtig, und beides ist konfliktträchtig. Seit dem Jahr 2006 werden in Senegal keine Lizenzen mehr vergeben für das Fischen bestimmter Fischarten, aber die alten Lizenzen werden weiter verlängert. Eine Steilvorlage für Korruption, munkeln die einen, anhaltenden Bedarf nach Lizenzgebühren vermuten die anderen.

Internationale Hilfe beim Aufbau lokaler Fischfabriken

Weltweit tätige Organisationen – die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der World Wildlife Fund (WWF), das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die Non-Profit-Organisation Conservation International (CI) und die von 179 Staaten getragene Globale Umweltfazilität (GEF) – haben daher im Jahr 2019 für die Küsten Westafrikas die Coastal Fisheries Initiative (CFI) gegründet. 718 Kilometer zählt die Küste Senegals, und allein im Sine-Saloum-Delta gibt es inzwischen elf geschützte Waldgebiete sowie vier Meeresschutzzonen. Dort fördert die CFI den Erhalt der Mangroven und hat allein in den Jahren 2020 und 2021 in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden und Kommunen rund 30 Hektar neuen Mangrovenbestand ermöglicht. 290 weitere Hektar allein in Senegal sind geplant. In der Weiterverarbeitungskette wiederum, in der fast ausschließlich Frauen beschäftigt sind, hilft CFI dabei, in kleinen Fischfabriken den Fang weiterzuverarbeiten, zu kühlen, zu räuchern, zu verpacken, zu lagern und zu verkaufen. Dabei geht es auch um Wissensvermittlung, um die Grundlagen einer Kostenplanung zum Beispiel.

Derart stellt die Kleinfischerei, die Küstenfischerei, 80 Prozent des lokalen Fischangebots und trägt 14,1 Prozent zu Senegals Bruttoinlandsprodukt bei. 17,2 Millionen Einwohner hat Senegal, zwei Millionen Arbeitsplätze hängen am Fischfang; 600.000 Menschen davon leben direkt vom Fischfang, wiederum vier Fünftel davon sind Frauen. Fisch ist traditionelles Lebensmittel, ein Hauptgericht, das Haupterwerbsgebiet für zahlreiche Familien. Auch hier setzen Programme an, indem sie Alternativen bieten auf dem Arbeitsmarkt und Ausbildungsplätze im Handwerk.

Blick auf ein Uferstück, an dem kleine Mangrovenkeimlinge aus der braunen Erde ragen.
Mangrovenwiederaufforstung bei Dionewar. (Foto: Manfred Loimeier)

Kleine Lösungen, große Probleme

Soweit so gut mit der Hilfe unmittelbar vor Ort in den Gemeinden und auf den Îles du Saloum. Stellen sich nur noch Fragen nach Optionen auf höherer, auf staatlicher Ebene: 400.000 Tonnen Fisch gehen jährlich in den Export, oft als Fischfutter, etwa für die Lachsfarmen Norwegens. Auf dem Inlandsmarkt in Senegal fehlen diese Mengen, also was tun? Die lokalen Fischer besser bezahlen –womit? Die Lizenzen spärlicher vergeben – und internationale Handelskonflikte herausbeschwören? Was also tun, wenn nur international eine Einigung erzielt werden kann, die aber keiner so recht will?

Klar ist neuerdings aber auch: Meeresschutzgebiete wirken sich nicht nur auf die Kleinfischerei innerhalb, sondern auch auf die Fischbestände außerhalb dieser Schutzzonen förderlich aus. Zu dieser Erkenntnis kamen jüngst Sarah Medoff und John Lynham von der University of Hawaii, die mit Jennifer Raynor von der University of Wisconsin Daten aus den Jahren 2010 bis 2019 zum Fischbestand im Pazifik ausgewertet haben. Zwar sagen sie gemäß der Zeitschrift Nature vom 20. Oktober 2022, dass die Daten nicht notwendig auf alle Meeresgebiete übertragbar seien, unterstreichen aber ein neues Ziel, das sich unter anderem die USA und die EU-Staaten gesetzt haben: Bis zum Jahr 2030 soll ein Drittel aller Land- und aller Meeresflächen unter Schutz gestellt werden. „30x30-Ziel“ heißt das und könnte sowohl den Küsten- als auch den Hochseefischern helfen.

Manfred Loimeier

Hinweis: Dieser Beitrag entstand im Rahmen der DGVN-Recherchereise „Volle Netze für nachhaltige Entwicklung?“. Anlässlich des UN-Jahres der Kleinfischerei und Aquakultur reiste eine Gruppe von Journalistinnen und Journalisten vom 23.–30. Oktober 2022 in das Delta des Flusses Saloum, um in Zusammenarbeit mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) über Fischerei in Senegal zu recherchieren.


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