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(Noch) nicht gut genug für eine nach­haltige Zu­kunft

Der aktuelle Sustain­able Develop­ment Report von SDSN verdeutlich erneut die schlep­pende Umsetzung der Ziele für nach­haltige Entwicklung (SDGs). Im Vorfeld des UN-Zukunfts­gipfels Ende Sep­tember mahnt er dringend benötigte Reformen der UN und mehr inter­nationale Zusam­men­arbeit an.

Nach Schätzungen im Sustain­able Develop­ment Report (SDR) 2024 ist die Welt derzeit nur bei 16 Prozent der SDGs auf Kurs, um sie bis 2030 zu erreichen. Bei 84 Prozent der Ziele sind die Fortschritte begrenzt oder es gab sogar Rückschritte. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des steigenden statt sinkenden Anteils der Menschen mit Adipositas, der Pressefreiheit, der bedrohten Arten auf der Roten Liste, des Managements von Stickstoff in der Land­wirtschaft und – auch aufgrund der Covid-19-Pan­demie – der Lebenserwartung.

Keines der 17 SDGs werde bis 2030 erreicht werden, wenn weiter so wenige Fortschritte gemacht werden, warnt der Bericht. Neben den Folgen der Pandemie hat das Netzwerk „Lösungen für eine nac­hhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen (UN Sustainable Development Solutions Network – SDSN) Defizite in der globalen Finanz­architektur als eines der größten Hemmnisse bei der Umsetzung der SDGs ausgemacht. Zudem untergraben geopolitische Spannungen die so dringend nötige Zusammen­arbeit zwischen einigen der größten Volks­wirtschaften.

Vorschläge für die ‘Vereinten Nationen 2.0’

Das SDSN ist seit 2012 unter der Schirmherrschaft des UN-General­sekretärs tätig. Unterstützt von über hundert Expertinnen und Experten mobilisiert es Fachwissen, um praktische Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Seit 2016 liefert das SDSN in seinem Bericht Daten, um die Leistungen der UN-Mitgliedstaaten bei den SDGs zu verfolgen.

Der diesjährige Bericht enthält ausführliche Empfehlungen für die ‘Vereinten Nationen 2.0’, um nachhaltige Entwicklung in einer multipolaren Welt erreichbar zu machen. Dazu brauche es unter dem Dach der Vereinten Nationen wirksamere globale Vereinbarungen und stärkere UN-Institutionen. Auch die UN-Charta bedürfe einer Überarbeitung und Anpassung an die Realitäten des 21. Jahrhunderts.

Nachhaltige Entwicklung sei eine “langfristige Investitionsherausforderung”, heißt es in dem Bericht. Deshalb kommt der Finanzierung der SDGs eine zentrale Rolle zu. Als wichtige Bausteine dafür nennt der Bericht höhere Entwicklungsausgaben und neu einzuführende globale Steuern, zum Beispiel auf Emissionen des Flug- und Schiffsverkehrs oder auf Finanztransaktionen. Die vorgeschlagenen Verbesserungen der globalen Finanzarchitektur umfassen beispielsweise Reformen des Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund - IMF), der Entwicklungsbanken, der Regulierung der Kapitalmärkte und der Kreditvergabe.

Für eine bessere Repräsentation der Regionen, der Städte oder indigener Völker schlägt das Autorinnen- und Autoren­team die Einrichtung neuer UN-Organe vor, darunter eines neuen “UN-Parlaments der Völker”. Außerdem macht sich das SDSN dafür stark, junge Menschen stärker an der Gestaltung der Zukunft zu beteiligen. Neben Bildung für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit brauche es eine bessere Reprä­sentation junger Menschen bei den UN, zum Beispiel in Form eines UN-Jugendrates unter dem Dach der UN-General­versammlung.

Bei den meisten SDGs sind bisher nicht genug Fortschritte oder sogar Rückschritte gemacht worden. (Grafik: SDSN/Jeffrey D. Sachs, Guillaume Lafortune and Grayson Fuller/Sustainable Development Report 2024/CC-BY-NC-SA 4.0)

Herausforderung: Frieden sichern

Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts liegt auf Abrüstung, dem Abbau ausländischer Militärstützpunkte, keinen Waffenlieferungen in Konfliktgebiete sowie der Stärkung der Vereinten Nationen und des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court – ICC). Außerdem mahnen die Autorinnen und Autoren Reformen des UN-Sicherheitsrates an. So sollen die Länder gemäß ihrem Anteil an der Weltbevölkerung vertreten sein. Indien (mit 18 Prozent der Weltbevölkerung) soll einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat bekommen.

Ebenfalls eine Frage des Friedens und der Sicherheit ist die Forderung des SDSN, die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten mögen dringend dafür sorgen, dass die Fortschritte in Wissenschaft und Technologie zum Wohle der Menschheit genutzt und gefördert werden. Die Vereinten Nationen müssten dafür Sorge tragen, dass neue Technologien wie Biotechnologie oder künstliche Intelligenz nicht missbraucht werden.

Neuer Multilateralismus-Index (UN-Mi)

„Ein neuer und wirkungsvoller Multilateralismus ist wichtiger als je zuvor, auch weil die Völker und Nationen enger miteinander verbunden sind, als sie es je waren“, heißt es in dem Bericht. Globale Herausforderungen erforderten entsprechend mehr globale Zusammenarbeit. 

Neben dem jährlich erscheinenden SDG-Index und den Dashboards, in denen die Leistungen aller UN-Mitgliedstaaten in Bezug auf die SDGs bewertet werden, enthält die diesjährige Ausgabe einen neuen Index ‘UN-Mi’, der Aufschluss darüber gibt, wie gut die einzelnen Länder den UN-basierten Multilateralismus unterstützen. Zu den Kriterien gehören etwa die Ratifizierung internationaler Übereinkommen (nicht aber deren Umsetzung), die Mitgliedschaft in UN-Organisationen, die Beteiligung an Konflikten, internationale Solidarität gemessen anhand der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit und die Beiträge zur Finanzierung der Vereinten Nationen.

Der Index erfasst alle 193 UN-Mitgliedstaaten. Barbados steht mit seinem Engagement an erster Stelle, gefolgt von Antigua und Barbuda, Uruguay und Mauritius. Deutschland landet auf Rang 80. An letzter Stelle stehen die Vereinigten Staaten, hinter Somalia, Südsudan und Israel. Ein Armutszeugnis, denn laut SDSN sollten sich alle Länder der Welt an die UN-Charta und die entsprechenden Regeln, Normen und Vorgehensweisen halten und ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber anderen Ländern nachkommen.

Ist 2050 das neue 2030?

Nachdem inzwischen absehbar ist, dass viele SDGs bis 2030 wahrscheinlich nicht erreicht werden, steht im Vorfeld des Zukunftsgipfels (Summit of the Future) das Jahr 2050 als neue Zielmarke im Raum. Das SDSN fordert dazu auf, den Zukunftsgipfel am 22. und 23. September 2024 in New York zu nutzen, um zwischenstaatliche Folgemechanismen für die Agenda 2030 bis zur Mitte des Jahrhunderts auf den Weg zu bringen – mit ehrgeizigen Zeitplänen, aktualisierten Zielen und einer besseren systematischen Umsetzung. Alle Länder, unabhängig von ihrer Wirtschaftskraft, sollten den Zukunftsgipfel nutzen, um ihr Engagement für den Multilateralismus, globale Partnerschaften und die Umsetzung der SDGs zu verstärken.

Christina Kamp


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