Menü

Schuldenabbau durch Naturschutz

Ecuador zeigt, wie Schuldensenkungen und Naturschutz zusammengehen: Mit einem Schuldentausch fließen Millionen US-Dollar in den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der Galapagosinseln. Doch wie wirkungsvoll sind diese 'Debt-for-nature Swaps', die weltweit an Bedeutung gewinnen?

Eine Riesenschildkröte liegt im Gras.
Riesenschildkröte auf der Insel Santa Cruz, die zu den ecuadorianischen Galapagos-Inseln gehört. (UN Photo/Eskinder Debebe)

460 Millionen US-Dollar will Ecuador in den Schutz des Ama­zonas-Regen­waldes stecken. Die Tropenwälder des Landes gehören zu den artenreichsten weltweit. Obwohl die Regierung die Entwaldung bremsen konnte, schreitet die Rodung und Zerstörung der Wälder voran und könnte ab den 2030er-Jahren den Waldbestand zersplittern. Das heißt, zusammenhängende Wälder würden mehr und mehr in kleinere Gebiete aufgetrennt werden.

Das Geld fließt in ein Programm zum Erhalt der Ama­zonas-Region. Ziel ist, die Verwaltung von 4,6 Millionen Hektar Schutz­gebieten zu verbessern und 1,8 Millionen Hektar Wälder und Feucht­gebiete unter Schutz zu stellen. Auch 18.000 Kilometer Flüsse sollen profitieren.

Ecuador ist jedoch – wie viele andere Ent­wicklungs­länder auch – hoch verschuldet. Es hat eigentlich keine finanziellen Ressourcen für Umweltschutz und schuldet Milliarden dem Inter­natio­nalen Wäh­rungs­fonds (International Monetary Fund – IMF), der Inter-Amerika­nischen Ent­wicklungs­bank, der Latein­amerika­nischen Ent­wicklungs­bank und der Weltbank. Größter Gläubiger ist China. Ecuador hat unter anderem Schulden gemacht, um Staats­ausgaben und Verbeam­tetenlöhne zu finanzieren. Hohe Zinsen und kurze Zah­lungs­fristen belasten das Land, sodass wichtige Ausgaben für Bildung und Umwelt­schutz oft zu kurz kommen.

Debt-for-nature Swaps: Schulden gegen Natur­schutz tauschen

Um dennoch Geld für den Natur­schutz bereitzustellen, hat Ecuador 1,5 Milliarden US-Dollar Auslands­schulden umgewandelt. Es kaufte Anleihen mit Rabatt zurück und platzierte eine neue 1-Milliarden-Dollar-Anleihe, abgesichert durch die US-amerikanische Ent­wicklungs­bank DFC und die Inter­ame­rika­nische Ent­wicklungs­bank (IDB). So will Ecuador in 17 Jahren fast eine halbe Milliarde Dollar sparen, die dem Amazonas zugute­kommen sollen. Nie zuvor wurde so viel Geld durch Schulden­umwandlung für den Naturschutz bereitgestellt.

Das Nature Bonds Program der US-amerika­nischen Um­weltorga­nisation The Nature Conservation ermöglichte diesen Tausch. Die Organisation entwickelte das Naturschutz­programm und das Finanzierungspaket mit der ecuadorianischen Regierung. Solche ‘Debt-for-nature Swaps’, also der Tausch von Schulden gegen Naturschutz, involvieren oft Umwelt-Nicht­regie­rungs­organi­sationen (Non­govern­mental Organi­sations – NGOs) oder Entwicklungsbanken, die Schulden aufkaufen, während das Land Natur­schutz­projek­te umsetzt und seine Schulden­last verringern kann.

Vorteile für alle Beteiligten

Alle Beteiligten profitieren dabei: Staaten reduzieren ihre Schulden und investieren im Gegenzug in Naturschutz­projekte. Sie gewinnen finanzielle Spielräume und fördern Biodiversität und Ökosysteme. Gläubiger erhalten ihre Schulden zurück.

Ecuador entschied sich bereits zum zweiten Mal für einen Schulden­tausch zugunsten der Natur. Im Frühjahr 2023 kaufte die Credit Suisse ecuado­rianische Staats­anleihen im Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar zurück. Die verbleibenden Schulden sanken auf 656 Millionen US-Dollar, sodass Ecuador fast eine Milliarde US-Dollar weniger zurückzahlen muss. Die freigesetzten Mittel fließen in einen Fonds zum Erhalt der Galapagosinseln. Zwanzig Jahre lang sollen jährlich 18 Millionen US-Dollar in den Naturschutz dort fließen.

Auch die Credit Suisse profitierte: Sie erzielte Einnahmen, verbesserte ihr Image als umweltbewusste Bank und präsentierte sich als führend bei innovativen Finanzlösungen.

Erste Ansätze bereits in 1980er-Jahren

Entwickelt wurde die Idee von dem US-amerika­nischen Biologen Thomas Lovejoy Anfang der 1980er-Jahre. Das erste Tausch­geschäft fand 1987 zwischen Conservation International und Bolivien statt. Die Um­welt­organisation zahlte 100.000 US-Dollar an Citicorp für eine un­einbringliche Schuld von 650.000 US-Dollar. Im Gegenzug verzichtete Conservation International auf die Schuld, wenn Bolivien 1,6 Millionen Hektar tropischen Wald schützen würde.

Mit Blick auf die drängenden Schulden­probleme in den Ländern des Globalen Südens, die Klimakrise, schleppendem Artenschutz und der erheblichen Fi­nan­zierungs­lücke im Klima- und Umweltschutz sehen auch Institutionen wie der Weltbank, der IDB und den Vereinten Nationen die Debt-for-nature Swaps als Teil der Lösung an. Der Fi­nan­zie­rungs­mechanismen war auch Thema auf dem UN-Zukunfts­gipfel im September 2024, bei dem der Zukunftspakt (Pact for the Future) verabschiedet wurde. Dieser zielt darauf ab, die Umsetzung der Agenda 2030 zu beschleunigen und Reformen in verschiedenen Bereichen des UN-Systems, insbesondere im globalen Finanz­system, voranzutreiben. Auch auf der kommenden vierten Inter­nationalen Konferenz über Ent­wicklungs­finanzierung (Fourth International Conference on Financing for Development – Ff4D) im Sommer 2025 ist geplant, solche Instrumente zu thematisieren, um die dringend benötigten Lösungen für Schuldenabbau und Klimafinanzierung weiter voranzutreiben.

Obwohl Debt-for-nature Swaps an Popularität gewonnen haben und Entwicklungs­ländern helfen, ihre Schulden abzubauen und mehr für Umweltschutz auszugeben, bleibt ihre Wirkung begrenzt. Sie können weder die Schul­dentrag­fähigkeit hoch verschuldeter Staaten wieder­herstellen noch den globalen Finanzbedarf für Natur- und Umwelt­schutz decken. Sie sind allenfalls eine punktuelle Lösung. Entwicklungsländer und Ent­wick­lungs­organi­sationen drängen deshalb auf Schulden­streichungen.

Kritik an den Swaps

Zudem ist das Instrument umstritten, weil es die Souveränität der Ent­wicklungs­länder einschränkt, wenn externe Akteure wie Entwicklungs­banken oder Umwelt-NGOs mitentscheiden, wofür Geld bereitgestellt wird. Es besteht die Gefahr, dass andere drängende Umweltprobleme oder Entwicklungs­fragen wie die Verbesserung von Lebens­standards der Menschen vor Ort vernachlässigt werden, die nicht im Fokus internationaler Geber stehen.

Zudem konzentrieren sich die Programme oft auf bekannte Naturschutz­projekte wie den Schutz von Regenwäldern oder bedrohten Tieren. Weniger bekannte Ökosysteme oder Arten könnten zu kurz kommen. Auch könnte der umfassende Schutz der Natur auf der Strecke bleiben. Fachleute weisen darauf hin, dass die Ergebnisse für den Naturschutz aus den Swaps nicht immer eindeutig sind, da die Prozesse zur Überprüfung der Ergebnisse mangelhaft sind oder geeignete Indikatoren fehlen.

In einigen Fällen wurden solche Verein­barungen ohne direkte Beteiligung der lokalen Gemeinschaften getroffen. Dies kann zu Miss­verständ­nissen oder Konflikten führen, sodass Projekte ohne die Beteiligung der betroffenen Gemein­schaften und Anerken­nung ihrer Landrechte scheitern können. Um nachhaltige Natur­schutz­maßnahmen zu gewährleisten, müssen deshalb lokale Akteure in Entscheidungs­prozesse eingebunden und ihre Rechte respektiert werden.

Sandra Kirchner


Das könnte Sie auch interessieren


  • Brasiliens Abkehr vom Multilateralismus – Wohin steuert Bolsonaro?

    02.02.2019
    Im Oktober 2018 entschied der Rechtsextreme Jair Bolsonaro die Präsidentschaftswahlen in Brasilien für sich. Besorgt schaut die internationale Gemeinschaft auf die Entwicklungen im Land. Wird Bolsonaro auf die Nationalismus-Karte setzen und sich von… mehr

  • Finanzierung nachhaltiger Entwicklung

    Finanzierung nachhaltiger Entwicklung

    21.12.2023
    Die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030 zu erreichen, hängt entscheidend von der Finanzierung ab. mehr

  • Was machen eigentlich Entwicklungsbanken?

    16.02.2024
    Ob Windparks in Südafrika, Krankenhäuser in ländlichen Regionen Bangladeschs oder der Ausbau der Trinkwasserversorgung in Indien: Der Weg zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs) erfordert Investitionen. Entwicklungsbanken können diese… mehr