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Viel zu tun an Land für das Leben unter Wasser: Von der 3. UN-Ozeankonferenz (UNOC3)

Die dritte UN-Ozeankonferenz (UNOC3) in Nizza war überfällig. Ein Blick auf den Zustand der Ozeane der Welt macht klar: Der Schutz der Ozeane muss Priorität werden. Eine neue ‘Blaue Wirtschaft’ birgt Potenzial, wenn sie die Bedürfnisse der Menschen im Globalen Süden miteinbezieht.

Im Vordergrund stehen zwei Männer, die angeregt diskutieren, im Hintergrund sind weitere Gruppen an Menschen zu sehen, alle stehen in einem Gang.
Nicht nur in Konferenzsälen und auf Podien - auch in den Gängen wird diskutiert (Foto: Zelda Page)

So tief im Wasser viele Probleme liegen, so sehr muss ihre Lösung vor allem an Land stattfinden. Und zwar nicht nur im Plenarsaal. Bei der dritten UN-Ozeankonferenz (World Ocean Conference - UNOC3) vom 9. bis 13. Juni 2025 sollten vor allem schnelles Handeln und die tatsächliche Mobilisierung aller Beteiligten im Fokus stehen. Der Aktionsplan von Nizza, der während der Woche diskutiert wurde, wollte anwesende Interessensgruppen zusammen in eine Richtung bewegen: Dem Ziel für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal – SDG) 14 ‚Leben unter Wasser’ entgegen. Denn das bis dato am weltweit geringsten geförderte Ziel priorisiert die Gesundheit der Ozeane als das, was sie für uns sind: lebenswichtige Ressource. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und auch indigene Gemeinschaften saßen zusammen, um die größten praktischen Hindernisse und Möglichkeiten für den Meeresschutz anzugehen.

Fossile was? - Fortschritte auf der Konferenz

Das zeigte sich in der Weiterentwicklung hin zu einem UN-Plastik­abkommen, das im August geschlossen werden soll, oder auch darin, dass sich 19 weitere Staaten dem UN-Hochsee­abkommen zum Schutz der Biodiversität auf Hoher See (Biodiversity Beyond National Jurisdiction Agree­ment - BBNJ-Abkommen) verpflichtet haben. Damit fehlen immer noch zehn weitere teilnehmende Länder für eine von der Konferenz dringend angestoßene praktische Umsetzung. 60 Ratifizierungen, von Ländern deklarierte völker­rechtliche Bindungen braucht es, damit das Abkommen binnen 120 Tagen in Kraft treten kann. Das BBNJ-Abkommen ergänzt das UN-See­rechts­überein­kommen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) von 1982 vor allem um den Schutz des Lebens in den Ozeanen. 

Eine Ausweisung von Meeres­schutzgebieten von mindestens 30 Prozent gelten als Minimum, um die aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosysteme wieder Richtung Balance zu steuern. Heute sind es 8 Prozent. Sogenannte ‚Marine Protected Areas‘ (MPAs) sollen sich mit Hilfe des BBNJ-Abkommens auf die Hochsee - alle Meeresgebiete, die sich außerhalb der 200-Seemeilen-Grenze von Staaten befinden - ausbreiten. Während der Konferenz erklärten sich unter anderem Tansania, Chile und Kolumbien bereit, MPAs neu einzurichten oder auszuweiten. 

In der Umsetzung schlägt sich nachhaltiger Schutz hoher See in allen Sektoren nieder, die zu Plastik im Meer, Überfischung und weiteren Praktiken beitragen, welche Leben unter Wasser gefährden. Nicht zuletzt, sondern zuallererst, fällt darunter auch der CO2-Ausstoß fossiler Energiegewinnung. Das wird auf der Konferenz deutlich, vielen aber nicht deutlich genug. Fossile Brennstoffe sind mit 85 Prozent Anteil am weltweiten Energieverbrauch heute Haupttreiber der Klima- und Erderwärmung, und diese schadet ausdrücklich den Weltmeeren. Vier neue Staaten haben sich den nun 37 Staaten angeschlossen, die sich für ein Moratorium, eine Aussetzung der Tiefseebohrungen nach fossilen Brennstoffen, aussprechen.

„Wir stoßen auf taube Ohren“

„Wir im Pazifik sind nicht der Mülleimer für billige Technologie auf Kohlenstoffbasis“, kommentiert Dr. Sivendra Michael, Ständiger Sekretär des Ministeriums für Umwelt und Klimawandel in Fidschi. Sein Land zählt zu den vom Klimawandel bereits stark betroffenen Staaten. Sie kämpfen mit hohen Wasser­spiegeln, Extremwettern, Lebensmittel- und Frischwasser-Knappheit. Gleichzeitig ist ihre Existenzgrundlage häufig das Meer.  

Das UNCLOS sieht eine Ausweitung von fossiler Energiegewinnung ausdrücklich nicht vor. Die Realität sieht aber anders aus. Es mangelt an fairen Phase-Outs, die innovative Technologien folgen lassen und auch an einem Einsehen der meisten derzeit agierenden Konzerne. „Meine Erfahrung mit früheren Interventionen zeigt mir: Diejenigen von uns Staaten, die am ehesten den Klimawandel zu spüren bekommen, leben heute ihre Zukunft“, wendet sich Ralph Regenvanu, Sondergesandte für Klimawandel und Umwelt des Inselstaates Vanuatu, an die Öffentlichkeit. „Die wird uns aber eines nicht fernen Tages alle betreffen. Falls Sie gerade auf einem Berg oder in einer Stadt leben und denken, Sie seien sicher: Nein.“ Michael fügt hinzu: „Was ich als wirklich unfair empfinde: Wir stoßen auf taube Ohren.“

Das Potenzial der ‚Blue Economy

Ehrgeizige Ziele, was die Umlenkung seiner eigenen Wirtschaft betrifft, hat Fidschi. Man möchte innerhalb der nächsten wenigen Jahre ein zu 100 Prozent nachhaltiges Management seiner Gewässer in die Tat umsetzen. Dafür entwickelt der Inselstaat gerade die Fähigkeit, ökonomische und ökologische Potenziale ihrer Gewässer gemeinsam auf eine Rechnung zu setzen. Auf diese Art lässt sich zweierlei erkennen: Wirtschaftliche Praktiken, die marinen Öko­systemen eher oder sogar sehr schaden. Und wirtschaftliche Potenziale, die deshalb welche sind, weil sie die Schonung der Ozeane zu einer Geschäftsidee machen.

Auf diesem Grundgedanken basiert die Nachhaltige Blaue Wirtschaft (Sustainable Blue Economy).Diese dreht sich vor allem um innovative ‘Blaue Anleihen (Blue Bonds), mit denen sich Investoren, die mitunter potentielle Emittenten sind, dazu verpflichten, durch Darlehen zum Schutz der Ozeane beizutragen. Die Anleihe kann so die eigene Produktion indirekt meeresfreundlicher machen. Es kommt zu Kooperationen zwischen Investoren und Fischereien, Schifffahrtsunternehmen oder Betreibern von Offshore-Energiegewinnung. Der weltgrößte Betreiber von Windanlagen auf See, Orstead, möchte beispielsweise mit Hilfe eines Blue Bonds in naturfreundliche Windparks investieren. Gleichzeitig sollen betriebseigene Schiffe zu einer nachhaltigen Flotte möglichst ohne CO2-Ausstoß werden. Der Smart-Logistik-Betreiber DP World rief den ersten Blue Bond im Nahen Osten und Nordafrika ins Leben. Auch hier soll es um nachhaltige Schifffahrt gehen. 

Das Ocean Investment Protocol als Motor

Einerseits realistisch, andererseits noch „eine Nische“, wie Suzanne Johnson, Senior Advisor beim Globalen Pakt der Vereinten Nationen (UN Global Compact), solche Investments beschreibt. Es geht um das ‚Ocean Investment Protocol‘, das noch während der Konferenz veröffentlicht wurde. Ein Blueprint, der die wichtigsten Fliegen mit einer Klappe schlägt: Die Mobilisierung privater Gelder - benötigte Billionen und Trillionen, die bis 2050 in eine Nach­haltige Blaue Wirtschaft fließen sollen -, sowie das Briefing von Politik und anderen Interessens­vertretungen über regenerativen Tourismus, gewässer­schonende marine Infrastrukturen und Handels­praktiken oder Energie­gewinnung auf dem Meer. Noch stehen Schätzungen für die Kosten teilweise aus, auch eine Risiko­berechnung für Versicherungen muss noch entwickelt werden. Das große Ziel des Protokolls ist es, einzelne Pilot-Projekte zu einer Basis für groß angelegte Zusammenarbeit, sogenannten Pipelines, zu machen. Eine entsprechende Plattform möchte den Kontakt zwischen Investoren und Wirtschafts­zweigen vereinfachen. Einerseits stellt das Ocean Investment Protocol eine strategische, wissenschaftlich fundierte Anleitung für jeden Hauptsektor zur Verfügung. Andererseits ruft es die Politik zu Gesetzen auf, die eine zügige Umsetzung auf den Weg bringen können. Denn: Wie abhängig alle Staaten von intakten Meeren sind, hat diese Konferenz deutlich gezeigt. Und: Chancen sollte man nutzen.

Zelda Page


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