Wenn nationales Handeln sich nicht an Grenzen hält
Dass Wertschöpfungsketten, also Produktionswege aller Dinge und Lebensmittel, die wir verbrauchen oder herstellen, sich über oft viele Ländergrenzen erstrecken, ist heute ein alter Hut. Die Globalisierung hält seit Jahrzehnten überall Einzug. Wenn Produkte wie Kleidung ‘nur’ in Europa gefertigt werden, kann das mittlerweile eine Marketingstrategie für nachhaltige Labels sein. Und so wenig selbstverständlich ein kurzer und transparenter Weg zum verkauften Produkt ist, so wenig selbstverständlich ist auch, dass am Ende alle involvierten Konzerne auf eine möglichst umweltschonende Produktion geachtet haben.
Die Auswirkungen solcher wirtschaftlicher Vorgänge auf das Klimasystem und die Umwelt können vielfältig sein. Industrielle Abgase, unter ihnen vor allem Stickoxide, Schwefeloxid, CO2 und Staub wirken sich negativ auf das Klima aus. Klimagase wie Kohlendioxid oder Methan treiben die Klimaerwärmung direkt an. Stickoxide bringen sauren Niederschlag, der Umwelt und Natur, insbesondere Wäldern, schadet. Landnutzung durch Monokulturen und Futtermittelanbau für ausufernde Tierhaltung, übermäßiger Verbrauch wichtiger Bodenschätze oder nicht abbaubare Abfallstoffe sind weitere Faktoren, die Land- und Meerökosystemen empfindlich angreifen. Die so entstehenden Veränderungen bringen auch das Klimasystem aus dem Gleichgewicht, weil veränderte Flächen zum Beispiel weniger CO2 speichern oder weniger Sonnenenergie reflektieren. Nur verändertes Handeln der Hauptakteure unserer Industrien, gepaart mit einem moderaten Verbrauch unserer endlichen Ressourcen, können hier Abhilfe schaffen.
Kollektive Umweltschäden durch Konzerne: unwirtschaftlich
In der Konsequenz könnte man alle beteiligten Unternehmen als teilweise unwirtschaftlich bezeichnen. So wurden laut Umweltbundesamt bereits im Jahr 2006 die durch den Klimawandel entstanden Kosten auf bis zu 20% des globalen Bruttoinlandsprodukts benannt. Alleine in Deutschland haben Emissionen von Luftschadstoffe und Treibhausgasen im Straßenverkehr sowie in der Strom- und Wärmeerzeugung im Jahr 2021 241 Milliarden Euro Kosten nach sich gezogen. Außerdem können manche Schäden wie der irreversible Verlust von Biodiversität auch nicht monetär wiedergutgemacht werden.
Umweltschäden bleiben in sehr vielen Fällen so wenig national wie die Produktionskette selbst. Klimagase sind dauerhaft in Bewegung und saure Regenwolken müssen an der Grenze keinen Ausweis zeigen. Beschädigte Ökosysteme, die dadurch schlechtere CO2-Senken darstellen, schaden nicht nur der jeweiligen Gegend. Ein generell erwärmtes Klima wiederum gefährdet Ökosysteme überall.
Wirtschaftliches Handeln und die Verantwortung sind international verteilt
Da es keine den Staaten übergeordnete verbindliche Machtinstanz gibt, haben wir klimapolitisch ein Problem des geordneten Chaos: Eine internationale Diversität an Unternehmen ist für eine Vielfalt an Klima- und Umweltschäden verantwortlich. Weder Verbreitung und Auswirkung der Schäden noch die Organisation ihrer Ursachen und Verursacher sind zentral kontrollierbar.
Das internationale Recht wird stark von den Vereinten Nationen geprägt. Ihre vielen Organe, zum Beispiel das UN-Umweltprogramm (United Nations Environment Programme – UNEP), sowie auch der Internationale Gerichtshof (International Court of Justice – ICJ), das Hauptrechtsprechungsorgan der UN, stärken Klimaschutzmaßnahmen. Nachdem die Generalversammlung bereits 2022 in einer - unverbindlichen - Resolution das Recht auf saubere Umwelt anerkannt hatte, rief die Generalversammlung im Jahr 2023 den ICJ auch für ein Gutachten zu staatlichen Pflichten in Bezug auf den Klimawandel an. Vor dem ICJ können allerdings nur Staaten als Parteien auftreten, womit die ‘Weltwirtschaft’ natürlich nicht direkt belangt werden kann.
Wer passt auf, wenn nicht alle?
Mittlerweile sind die globalen Effekte von lokalem Verhalten durch die Erforschung des Klimawandels besser erfassbar, die Steuerung weltwirtschaftlichen Handelns im Hinblick auf das globale Klima ist dagegen nicht nur aufwendig, sondern nahezu unmöglich.
Tatsächlich sind es die einzelnen Staaten, die durch Gesetzgebung das Handeln von Unternehmen und dessen Auswirkung auf Umwelt und Klima zumindest teilweise steuern. Darunter fällt die Produktion im eigenen Land, aber auch Wertschöpfungsketten, die international geltende Umwelt- und Menschenrechtsniveaus betreffen. Dazu kommt: Alle Staaten sind für das Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger verantwortlich. Dass wirft die Frage auf, ob ein Staat auch für eine verpasste Fürsorgepflicht für seine Bevölkerung zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn eine starke Beteiligung der in seinem Land ansässigen Unternehmen schlechte Umwelt- und Klimawandeleffekte nach sich zieht.
Global Compact leistet Hilfe zur Selbsthilfe
Die UN haben realisiert, dass ein Umdenken und vor allem Umlenken aller Unternehmen nachhaltig ist, wollen wir das Weltklima effektiv vor weiterer Erwärmung schützen. So sind beispielsweise mittlerweile über 26.000 Unternehmen und Organisationen weltweit der Initiative UN Global Compact beigetreten, die zehn Prinzipien für eine inklusivere und nachhaltigere Wirtschaft verfolgt. Diese Unternehmen werden dazu angehalten und vor allem dabei unterstützt, ihre Strategien für Nachhaltigkeit und soziales Handeln zu verbessern. Der tragende Gedanke ist die Anerkennung der Rolle von Wirtschaftsunternehmen als ‘spezialisierte Organe der Gesellschaft’, die ihrem Handeln das Ziel der Nachhaltigkeit voranstellen. Nachhaltigkeit wird von Global Compact für unterschiedlichen Bereiche definiert, die ineinandergreifen. Allen voran steht umweltfreundliches Handeln.
Doch auch die soziale Dimension von nachhaltiger Entwicklung ist unabdingbar: Nur Bürgerinnen und Bürger mit Entscheidungsfreiheit können sich aktiv am Klimaschutz beteiligen. So umschließen die zehn Leitlinien von Global Compact auch die Vereinigungsfreiheit, wie zum Beispiel der Zusammenschluss von Gewerkschaften, die Ablehnung von Zwangs- und Kinderarbeit sowie Diskriminierung. Sind Unternehmen dem Global Compact beigetreten, müssen sie jährlich Bericht über ihre Fortschritte bei der Umsetzung der zehn Leitlinien erstatten. Damit verschreiben sie sich dem Vorsorgeprinzip gegenüber Umweltproblemen und der Entwicklung von umweltschonenden Technologien. Außerdem soll ihre Immunität gegen Korruption und Bestechung steigen.
Global Compact möchte über die Rolle eines ‘Best-Practice’- Beispiels herauswachsen, indem eine möglichst große Beteiligung von Unternehmen neue Standards schafft. Wenn diese schließlich auch in nationaler Gesetzgebung Einzug halten, wäre viel erreicht.
Zelda Page