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Wenn natio­na­les Han­deln sich nicht an Gren­zen hält

Abgase, Öko­systeme oder Wetter­bedin­gun­gen haben sich noch nie für menschen­gemachte Grenzen interessiert und lassen sich auch nicht aufhalten. Wer ist verantwortlich, wenn Staaten oder Unter­nehmen Umwelt­schäden verur­sachen, über deren Ver­brei­tung sie kaum oder keine Kontrolle haben?

Eine dunkelblaue Mappe liegt auf einem Holztisch, auf der Mappe steht United Nations Global Compact.
Blick in eine Sitzung des UN Global Compacts. (UN Photo/Manuel Elías)

Dass Wert­schöpfungs­ketten, also Produktions­wege aller Dinge und Lebensmittel, die wir verbrauchen oder herstellen, sich über oft viele Länder­grenzen erstrecken, ist heute ein alter Hut. Die Globa­lisierung hält seit Jahr­zehn­ten überall Einzug. Wenn Produkte wie Kleidung ‘nur’ in Europa gefertigt werden, kann das mittlerweile eine Mar­keting­strategie für nach­haltige Labels sein. Und so wenig selbst­verständlich ein kurzer und transparenter Weg zum verkauften Produkt ist, so wenig selbst­verständlich ist auch, dass am Ende alle involvierten Konzerne auf eine möglichst umwelt­schonende Produktion geachtet haben. 

Die Auswir­kungen solcher wirtschaft­licher Vorgänge auf das Klima­system und die Umwelt können vielfältig sein. Industrielle Abgase, unter ihnen vor allem Stickoxide, Schwefeloxid, CO2 und Staub wirken sich negativ auf das Klima aus. Klimag­ase wie Kohlendioxid oder Methan treiben die Klima­erwärmung direkt an. Stickoxide bringen sauren Niederschlag, der Umwelt und Natur, insbesondere Wäldern, schadet. Land­nutzung durch Mono­kulturen und Futter­mittel­anbau für ausufernde Tierhaltung, übermäßiger Verbrauch wichtiger Boden­schätze oder nicht ab­baubare Abfallstoffe sind weitere Faktoren, die Land- und Meerökosystemen empfindlich angreifen. Die so ent­stehen­den Veränderungen bringen auch das Klima­system aus dem Gleich­gewicht, weil veränderte Flächen zum Beispiel weniger CO2 speichern oder weniger Sonnen­energie reflektieren. Nur verändertes Handeln der Haupt­akteure unserer Industrien, gepaart mit einem moderaten Verbrauch unserer endlichen Ressourcen, können hier Abhilfe schaffen.

Kol­lektive Um­welt­schäden durch Konzerne: un­wirt­schaft­lich

In der Konsequenz könnte man alle beteiligten Unternehmen als teilweise unwirt­schaftlich bezeichnen. So wurden laut Umwelt­bundesamt bereits im Jahr 2006 die durch den Klima­wandel entstanden Kosten auf bis zu 20% des globalen Brutto­inlands­produkts benannt. Alleine in Deutschland haben Emissionen von Luftschad­stoffe und Treibhausgasen im Straßenverkehr sowie in der Strom- und Wärme­erzeugung im Jahr 2021 241 Milliarden Euro Kosten nach sich gezogen. Außerdem können manche Schäden wie der ir­reversible Verlust von Bio­diversität auch nicht monetär wieder­gut­gemacht werden. 

Umweltschäden bleiben in sehr vielen Fällen so wenig national wie die Produktions­kette selbst. Klimagase sind dauerhaft in Bewegung und saure Regenwolken müssen an der Grenze keinen Ausweis zeigen. Beschädigte Öko­systeme, die dadurch schlechtere CO2-Senken darstellen, schaden nicht nur der jeweiligen Gegend. Ein generell erwärmtes Klima wiederum gefährdet Öko­systeme überall.

Wirt­schaft­liches Handeln und die Verant­wortung sind inter­national verteilt

Da es keine den Staaten überge­ordnete verbindliche Macht­instanz gibt, haben wir klimapolitisch ein Problem des geordneten Chaos: Eine inter­natio­nale Diversität an Unternehmen ist für eine Vielfalt an Klima- und Umwelt­schäden verant­wortlich. Weder Verbreitung und Auswirkung der Schäden noch die Organisation ihrer Ursachen und Verursacher sind zentral kontrollierbar.

Das inter­nationale Recht wird stark von den Vereinten Nationen geprägt. Ihre vielen Organe, zum Beispiel das UN-Umweltprogramm (United Nations Environment Programme – UNEP), sowie auch der Internationale Gerichtshof (International Court of Justice – ICJ), das Haupt­recht­sprechungs­organ der UN, stärken Klimaschutz­maßnahmen. Nachdem die Generalversammlung bereits 2022 in einer - unverbindlichen - Resolution das Recht auf saubere Umwelt anerkannt hatte, rief die General­versammlung im Jahr 2023 den ICJ auch für ein Gutachten zu staatlichen Pflichten in Bezug auf den Klimawandel an. Vor dem ICJ können allerdings nur Staaten als Parteien auftreten, womit die ‘Welt­wirtschaft’ natürlich nicht direkt belangt werden kann. 

Wer passt auf, wenn nicht alle?

Mittlerweile sind die globalen Effekte von lokalem Verhalten durch die Erforschung des Klima­wandels besser erfassbar, die Steuerung welt­wirtschaft­lichen Handelns im Hinblick auf das globale Klima ist dagegen nicht nur aufwendig, sondern nahezu unmöglich. 

Tatsächlich sind es die einzelnen Staaten, die durch Gesetz­gebung das Handeln von Unternehmen und dessen Auswirkung auf Umwelt und Klima zumindest teilweise steuern. Darunter fällt die Produktion im eigenen Land, aber auch Wert­schöpfungs­ketten, die international geltende Umwelt- und Men­schenrechts­niveaus betreffen. Dazu kommt: Alle Staaten sind für das Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger verantwortlich. Dass wirft die Frage auf, ob ein Staat auch für eine verpasste Fürsorge­pflicht für seine Bevölkerung zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn eine starke Beteiligung der in seinem Land ansässigen Unternehmen schlechte Umwelt- und Klima­wandel­effek­te nach sich zieht.

Global Com­pact leistet Hilfe zur Selbsthilfe

Die UN haben realisiert, dass ein Um­denken und vor allem Umlenken aller Unter­nehmen nachhaltig ist, wollen wir das Weltklima effektiv vor weiterer Erwärmung schützen. So sind beispiels­weise mittlerweile über 26.000 Unter­nehmen und Organi­sationen weltweit der Initiative UN Global Compact beigetreten, die zehn Prinzipien für eine inklusivere und nach­haltigere Wirtschaft verfolgt. Diese Unternehmen werden dazu ange­halten und vor allem dabei unterstützt, ihre Strategien für Nach­haltigkeit und soziales Handeln zu verbessern. Der tragende Gedanke ist die Anerkennung der Rolle von Wirt­schafts­unter­neh­men als ‘spezialisierte Organe der Gesellschaft’, die ihrem Handeln das Ziel der Nach­haltigkeit voranstellen. Nach­haltigkeit wird von Global Compact für unter­schied­lichen Bereiche definiert, die in­einander­greifen. Allen voran steht umwelt­freund­liches Handeln. 

Doch auch die soziale Dimension von nach­haltiger Entwick­lung ist unabdingbar: Nur Bürgerinnen und Bürger mit Ent­scheidungs­freiheit können sich aktiv am Klima­schutz beteiligen. So umschließen die zehn Leitlinien von Global Compact auch die Vereinigungsfreiheit, wie zum Beispiel der Zusammenschluss von Gewerk­schaften, die Ablehnung von Zwangs- und Kinderarbeit sowie Diskriminierung. Sind Unternehmen dem Global Compact beigetreten, müssen sie jährlich Bericht über ihre Fortschritte bei der Umsetzung der zehn Leitlinien erstatten. Damit verschreiben sie sich dem Vorsorge­prinzip gegenüber Umwelt­problemen und der Entwicklung von umwelt­schonenden Technologien. Außerdem soll ihre Immunität gegen Korruption und Bestechung steigen.

Global Compact möchte über die Rolle eines ‘Best-Practice’- Beispiels heraus­wachsen, indem eine möglichst große Beteiligung von Unternehmen neue Standards schafft. Wenn diese schließlich auch in nationaler Gesetz­ge­bung Einzug halten, wäre viel erreicht. 

Zelda Page


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