Aufbruch aus der Krise: Wie kleine Inselstaaten eine nachhaltige Zukunft anstoßen wollen
Unter den Entwicklungsländern gehören die kleinen Inselstaaten (Small Island Developing States – SIDS) zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern. Der steigende Meeresspiegel stellt ein erhebliches Problem dar. Bereits bevor niedrig gelegene Inseln wie Kiribati, Tuvalu oder die Malediven im Meer zu versinken drohen, dringt Salzwasser ins Grundwasser ein. Dies erschwert die Trinkwasserversorgung und gefährdet die Landwirtschaft durch Versalzung der Böden.
Zudem bedrohen immer häufiger und stärkere Extremwetterereignisse wie Tropenstürme unmittelbar die Existenz und das Wohlergehen der Inselbewohner. Wetterbedingte Katastrophen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten in diesen Staaten verdoppelt und behindern den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt.
Das Geld für die Anpassung an den Klimawandel fehlt
Obwohl die SIDS stark unter den Folgen des hohen Ausstoßes klimaschädlicher Treibhausgase leiden, tragen sie selbst kaum dazu bei. Sie sind für weniger als ein Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Trotz ihrer Anfälligkeit erhalten sie nur geringe Mittel aus der internationalen Klimafinanzierung. Der Großteil der Klimafinanzierung geht an Schwellenländer wie Indien, Brasilien oder Südafrika.
Wer gehört zu den kleinen Inselentwicklungsstaaten?
Die Gruppe der kleinen Inselentwicklungsstaaten (Small Island Developing States – SIDS) umfasst 39 Staaten und 18 mit einer UN-Regionalkommission assoziierte Gebiete, zum Beispiel Bermuda oder die British Virgin Islands.
Diese Gebiete, die weniger als 0,5 Prozent der Weltfläche einnehmen, verteilen sich auf drei Schlüsselregionen: die Karibik, den Pazifik und den Atlantik, den Indischen Ozean und das Südchinesische Meer. Ihnen wurde 1992 ein Sonderstatus hinsichtlich ihrer Umwelt und Entwicklung anerkannt, weil sie abgelegen und für Naturkatastrophen anfällig gelegen sind. Im Kampf gegen den Klimawandel befinden sich die SIDS an vorderster Front.
Die SIDS haben das Nachsehen, unter anderem wegen komplexer Antragsverfahren der Fonds, die die Klimafinanzierung abwickeln. Strenge Anforderungen an die Kofinanzierung und fehlende technische Kapazitäten zur Planung und Verwaltung von Projekten erschweren den SIDS den Zugang zu diesen Mitteln. Dabei bräuchten sie dringend Geld, um Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel etwa für den Schutz der Küsten oder besseres Landmanagement zu finanzieren.
Laut der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (International Renewable Energy Agency - IRENA) müssten einige SIDS bis 2030 jährlich rund 5,9 Milliarden US-Dollar investieren, um ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden und ihre Ziele für erneuerbare Energien zu erreichen. Aufgrund begrenzter natürlicher Ressourcen, kleiner und wenig diversifizierter Volkswirtschaften sowie Abhängigkeiten von externen Märkten fehlt ihnen jedoch die finanzielle Kraft für solche Investitionen.
Vierte SIDS-Konferenz verabschiedete Agenda für eine nachhaltige Entwicklung
Die vierte Internationale Konferenz der Kleinen Inselentwicklungsstaaten, die Ende Mai in Antigua und Barbuda stattfand, beschäftigte sich mit der Verbesserung des Zugangs zur internationalen Klimafinanzierung für die SIDS. Rund 3000 Teilnehmende diskutierten außerdem, wie die Gesundheitssysteme der Inselstaaten Krankheiten vorbeugen können, die durch Risikofaktoren wie Tabak- und Alkoholkonsum, körperliche Inaktivität und ungesunde Ernährung entstehen.
Ein wichtiger Schwerpunkt der vierten internationalen SIDS-Konferenz war die Revitalisierung der Wirtschaft und die Stärkung der nachhaltigen Entwicklung. Der Tourismus ist für viele SIDS eine bedeutende Einnahmequelle. In etwa zwei Dritteln der Staaten trägt der Sektor laut dem Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund - IMF) rund zwanzig Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. In Palau und den Malediven beträgt dieser Anteil sogar mehr als die Hälfte. Die Corona-Pandemie hatte starke Auswirkungen auf die SIDS, da das Ausbleiben von Touristen nicht durch andere Wirtschaftsaktivitäten kompensiert werden konnte. Obwohl sich der Tourismus auf den SIDS vergleichsweise rasch erholt hat, soll er widerstandsfähiger und nachhaltiger werden.
Die sogenannte „Antigua and Barbuda Agenda for SIDS“, die auf der Konferenz beschlossen wurde, sieht vor, die durch den Tourismus verursachte Verschmutzung zu verringern sowie Ökosysteme und Biodiversität zu schützen. Zugleich sollen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Der Tourismus soll zur sozioökonomischen Entwicklung der SIDS beitragen und das Umwelt- und Kulturerbe bewahren.
Ziel: hohe Staatsschulden verringern
„Die Agenda hat das Potenzial, die Volkswirtschaften von SIDS zu verändern und sie auf einen klaren Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung zu bringen“, sagte Li Junhua, UN- Untergeneralsekretär für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (Under-Secretary-General for Economic and Social Affairs). In den nächsten zehn Jahren soll die Agenda den Inselstaaten helfen, ihre Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
Entscheidend dafür sind ausreichende finanzielle Mittel. Die SIDS sind jedoch auf externe Kredite angewiesen, um wirtschaftliche oder nachhaltige Entwicklung anzustoßen oder auf Schocks wie das Einbrechen des Tourismussektors reagieren zu können. Viele SIDS sind aber bereits hochverschuldet. Mehr als 40 Prozent der Staaten geben den größten Teil ihres Einkommens zur Rückzahlung ihrer Schulden aus, wie eine Analyse des International Institute for Environment and Development (IIED) zeigt.
Deshalb soll der Global SIDS Debt Sustainability Support Service den Inselstaaten bei der Entschuldung helfen. Dieser neue Dienst soll die Entwicklungsländer dabei unterstützen, Schuldenerleichterungen mit Gläubigern auszuhandeln, Kredite aufzunehmen oder neue Investitionen anziehen wollen. Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, fordert deshalb eine Reform des internationalen Finanzsystems, die sicherstellt, dass Entwicklungsländer nicht länger systematisch benachteiligt würden. Denn klar ist: Wenn die kleinen Inselentwicklungsstaaten die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens erreichen sollen, müssen sie mehr Geld investieren als ihnen im Moment zur Verfügung steht.
Sandra Kirchner