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Multilateralismus ist wichtiger denn je

Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, Reformen des UN-Systems und neue Ansätze in der Rüstungskontrolle: drei Vorschläge der SPD-Fraktion für die deutsche UN-Politik.

Porträt von Nils Schmid, SPD.
Dr. Nils Schmid, SPD-Fraktion (Foto: SPD/Susie Knoll)

Die angekündigte Abkehr der Vereinigten Staaten von der regel­basierten Ordnung und der teilweise Rückzug aus einzelnen Gremien der Vereinten Nationen (UN) unter Präsident Donald Trump gehen einher mit weitreichenden Konsequenzen für die inter­natio­nale Zusammen­arbeit. 

Das alles erfolgt in einer Zeit, in der vor allem Russland mit seinem völker­rechts­widrigen Angriffs­krieg auf die Ukraine aber auch China als Systemrivale, ihre geopolitischen Ambitionen zu stärken versuchen. Notwendiger denn je sind verbindliche multilaterale Abkommen. Daher ist es umso wichtiger, dass deshalb die internationale Staaten­gemein­schaft noch enger miteinander kooperiert, um multilaterale Lösungen für die drängenden globalen Herausforderungen zu finden und um die Gestaltung der internationalen Ordnung weiterzuentwickeln.

Für Deutschland und die EU folgt daraus, dass wir, jenseits der Bedeutung der Beziehungen mit den USA, unsere Zusammenarbeit vor allem mit den Staaten des Globalen Südens weiter stärken müssen, denn die weltweiten Heraus­forderungen lassen sich nur gemeinsam, im Rahmen multinationaler Ansätze lösen. 

Erstens: Reform und Stärkung des Multi­late­ralis­mus

Immer stärker versuchen sich Russland und China als Alternative zum Westen gegenüber den Staaten des Globalen Südens zu positionieren. Die Instrumen­talisierung des Zusammen­schlusses der BRICS-Staaten ist hierfür ein gutes Beispiel. Viel stärker als in der Vergangenheit müssen die geopolitischen und ökonomischen Interessen der Staaten des Globalen Südens Berücksichtigung finden. Deutschland allein kann das nicht bewerkstelligen. Gemeinsam mit unseren EU-Partnern können wir jedoch uns aber als verlässliche Partner positionieren und so dazu beitragen, Brücken zwischen verschiedenen Ländern und Regionen zu bauen und gemeinsame Lösungen zu finden. Es ist wichtig, dass diese Partnerschaften auf gegenseitigem Respekt und Verständnis basieren, um das Vertrauen zu stärken und eine nachhaltige Zusammen­arbeit zu fördern.

Die Verstärkung dieser globalen Partnerschaften könnte nicht nur dazu beitragen, die Anliegen einzelner BRICS-Staaten, wie Brasilien und Südafrika, zu adressieren, sondern auch die Rolle der westlichen Länder in einer sich verändernden geopolitischen Landschaft zu festigen.

Notwendig sind deshalb Reformen, die auf die globalen Verwerfungen und Systemkrisen mit einem konstruktiven Ansatz antworten, um eine gerechtere und stabilere internationale Ordnung zu fördern. 

Als Bundesregierung müssen wir dabei stärker auf die EU einwirken, dass diese mehr Verantwortung übernimmt, um multilaterale Prozesse, internationale Institutionen sowie Umwelt- und Menschenrechte zu schützen und zu fördern.

Zweitens: Reform der Vereinten Nationen

Seit vielen Jahren versucht Deutschland gemeinsam mit anderen Staaten Initiativen zur Reform der Vereinten Nationen einzubringen. Das betrifft nicht nur die Zusammensetzung des UN-Sicherheits­rates, den vor allem die Staaten des Globalen Südens zu Recht als nicht mehr zeitgemäß wahrnehmen, sondern etwa auch die Überarbeitung der internationalen Finanz­architektur (beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Weltbank und Entwicklungs­banken; globale Klimafinanzierungs­initiativen) oder die Umsetzung des Reformpakets zur Weltgesund­heits­organisation (Stärkung der internationalen Gesundheitsvorschriften).

Ein wichtiger Meilenstein in diesem Zusammenhang war der am 22. September letzten Jahres von den UN-Mitglied­staaten angenommene Zukunftspakt. Die dort beschlossenen 56 Aktions­punkte sind ein wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren multilateralen Kooperation. Sie zeigen das Engagement der Staaten, gemeinsam an Lösungen für globale Heraus­forderungen zu arbeiten und die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen zu intensivieren. Die von Deutschland und Namibia geleistete Vorarbeit war mitendscheidend für die Konsens­findung.

Es wird nun entscheidend darauf ankommen, wie die vereinbarten Aktions­punkte in der Praxis umgesetzt werden und ob sie tatsächlich zu einer stärkeren und gerechteren globalen Ordnung führen können. Die Heraus­forderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen geopolitischen Interessen zu finden und sicherzustellen, dass die Stimmen aller Länder, insbesondere derjenigen im Globalen Süden, gehört werden. 

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Zukunfts­pakts beschlossenen Fachforen weiterentwickelt werden, hierzu gehören beispielsweise die Bereiche Klima, Internationale Finanzarchitektur, Peacebuilding und digitale Kooperation.

Drittens: Abrüs­tung und Rüs­tungs­kontrol­le

Der russische Angriffs­krieg gegen die Ukraine hat der Sicherheit und Stabilität in Europa und weltweit enormen Schaden zugefügt und die Rüstungs­kontroll­architek­tur massiv geschwächt. Doch Frieden und Sicherheit sind auf Dauer ohne Rüstungs­kontrolle, Abrüstung und Nicht­verbreitung nicht erreichbar. Sie sind ein Beitrag zu einer regelbasierten internationalen Ordnung auf Grundlage des Völkerrechts, etablierter Prinzipien und universeller Menschenrechte. 

Das langfristige Ziel bleibt eine sichere Welt ohne Nuklearwaffen. Es bedarf deshalb neuer Impulse für die nukleare Nichtverbreitung. Für uns hat die Erhaltung des Nuklearen Nichtverbreitungs­vertrags als Eckpfeiler der globalen Nichtverbreitungs­architektur höchste Priorität. Wir setzen uns für Vereinbarungen zwischen den Nuklearmächten USA und Russland ein und fordern China dazu auf, sich Rüstungskontrollgesprächen zu öffnen und transparenter zu agieren. Wir unterstützen auch künftig, dass Deutschland die Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffen­verbots­vertrags beobachtet. 

Wir setzen uns auf globaler Ebene - insbesondere auch in den Vereinten Nationen - für humanitäre Rüstungskontrolle, unter anderem bei der Eindämmung der unkontrollierten Proliferation von Kleinwaffen, der Ächtung bestimmter Waffensysteme, die nicht mit dem humanitären Völkerrecht in Einklang zu bringen sind, und der Schaffung verbindlicher Mindeststandards im Umgang mit Munition ein. 

Das Globale Rahmenwerk mit Mindeststandards für den Umgang mit konventioneller Munition über den gesamten Lebenszyklus, dass die UN-Generalversammlung 2023 beschlossen hat, ist für die humanitäre Rüstungskontrolle ein Meilenstein. Auch die Resolution des Ersten Ausschuss der Generalversammlung zu Letalen Autonomen Waffensystemen (LAWS) ist ein erster Schritt hin zu einer internationalen Regelung des Einsatzes von Autonomie in Waffensystemen. 

Zugleich sind neue Ansätze der Rüstungskontrolle erforderlich geworden, um der Entwicklung neuer Technologien gerecht zu werden, die sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Akteuren zugänglich sind. Dies gilt mit Blick auf Rüstungskontrolle im Weltraum und im Cyberraum ebenso wie bei der Kontrolle künstlicher Intelligenz im militärischen Einsatz.

Dr. Nils Schmid, SPD-Fraktion


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