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75 Jahre WHO

„Gesundheit für alle“, das Leitmotiv der Weltgesundheitsorganisation (WHO), ist heute noch genauso wichtig wie zu ihrer Gründung vor 75 Jahren. Die weiter bestehenden Ungleichheiten schlagen sich auch in neuen Problemlagen nieder.

Kinder tragen Schilder, die die Menschen aufforderten, sich impfen zu lassen.
Foto: WHO / Tambarahalli S. Satyan

Selten zuvor richtete sich der Blick der Weltöffentlichkeit so sehr auf eine UN-Organisation wie im Januar 2020, als sich Covid-19 rasant auszubreiten begann und von der WHO zur einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“, erklärt wurde. Die höchste Alarmstufe war geboten, bis die WHO im Mai 2023 den globalen Gesundheitsnotstand schließlich wieder aufhob.

Zwar gilt die Corona-Pandemie damit als beendet. „Das bedeutet jedoch nicht, dass Covid-19 als globale Gesundheitsbedrohung vorbei ist“, warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Auch besteht immer die Gefahr weiterer Pandemien. Umso wichtiger ist es, aus den Erfahrungen mit Covid-19 zu lernen. Die WHO als internationale Instanz in Gesundheitsfragen unterstützt nun ihre 194 Mitgliedsstaaten bei der Aushandlung eines Pandemieabkommens, um die Welt auf künftige Pandemien besser vorzubereiten.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde bei allen größeren gesundheitlichen Notlagen, von Ebola bis hin zur Vogelgrippe (H5N1) oder SARS, die Expertise und Koordinierungsfunktion der WHO aktiviert. Die WHO ist auch gefragt, wenn nach Naturkatastrophen die Trinkwasserversorgung nicht gewährleistet ist und die Ausbreitung von Seuchen wie Cholera droht. Allein im Zeitraum 2020-2021 reagierte die WHO auf 87 gesundheitliche Notlagen neben COVID-19.

75 Jahre WHO: Erfolge für die globale Gesundheit

Gegründet 1948 mit Sitz in Genf feiert die WHO dieses Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Das Gründungsdatum – der 7. April – wird jährlich als Weltgesundheitstag begangen und lenkt den Blick auf aktuelle Problemlagen. Das diesjährige Jubiläum bietet aber auch Gelegenheit, Erfolge in Erinnerung zu rufen.

Als eine der größten Erfolgsgeschichten gilt der Sieg über die Pocken, eine hoch ansteckende und tödliche Krankheit, die allein im 20. Jahrhundert geschätzte 300 Millionen Menschenleben forderte. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte war es gelungen, einen Krankheitserreger mit Impfungen zu besiegen. 1979 erklärte die WHO die Pocken für ausgerottet. Heute schützen Impfstoffe vor mehr als 20 lebensbedrohlichen Krankheiten und verhindern jedes Jahr 3,5 bis fünf Millionen Todesfälle durch Krankheiten wie Tetanus, Keuchhusten, Grippe und Masern.

Neben Massenkampagnen gegen einzelne Krankheiten lagen die inhaltlichen Schwerpunkte der WHO nach ihrer Gründung auch auf Mutter-Kind-Gesundheit, Ernährungsfragen und Umwelthygiene. Dank qualifizierter Geburtshelferinnen und -helfer, Impfungen im Kindesalter und dem integrierten Management von Kinderkrankheiten konnte seit 2000 die Sterblichkeit von schwangeren Frauen und Kindern unter fünf Jahren halbiert werden.

Ende der 1980er Jahre legte die WHO ihr globales Aids-Programm auf, das 1996 durch das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen zu HIV/Aids (UNAIDS) ersetzt wurde. In der Folge wurden auch weitere WHO-Kompetenzen an andere, neu gegründete Organisationen, Finanzierungsmechanismen und Initiativen ausgelagert, die sich operativen Bereichen gezielter widmen können und finanziell besser dafür ausgestattet sind. Federführend bleibt die WHO jedoch bei der Entwicklung und Umsetzung globaler gesundheitspolitischer Normen und Standards. Sie ist eine wichtige Instanz, um vor Fehlinformationen und Desinformation schützen.

Paradigmenwechsel

Die WHO engagiert sich weiter in der Bekämpfung übertragbarer und oft tödlicher Infektionskrankheiten, darunter auch vernachlässigter Tropenkrankheiten. Mehr als in der Vergangenheit setzt sie heute aber auch auf einen präventiven Ansatz, wodurch lebensstilbedingte Gesundheitsprobleme stärker in den Vordergrund treten. So hilft das Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC), vor den verheerenden Folgen des Tabakkonsums zu schützen. Lebensstilfaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel stellen eine entscheidende Ursache für chronische Krankheiten wie Diabetes dar und sind für einen großen Teil aller Todesfälle verantwortlich.

Einen weiteren Paradigmenwechsel stellt der sogenannte One-Health-Ansatz dar, bei dem es darum geht, die Lebensgrundlagen unseres Planeten auch für künftige Generationen zu erhalten. Gemeinsam mit anderen UN-Organisationen hat die WHO die Allianz „One Health“ gegründet, die sich insbesondere für die weltweite Bekämpfung der Antibiotikaresistenz einsetzt.

Auch der Klimawandel wird heute zunehmend zur Gesundheitsgefahr. 2021 hat die WHO eine Allianz für Maßnahmen im Bereich Klima und Gesundheit ins Leben gerufen, um klimaresiliente, nachhaltige Gesundheitssysteme aufzubauen.

Chancengleichheit gewährleisten

Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Ländern schlagen sich im Gesundheitsbereich besonders deutlich nieder. Während der Corona-Pandemie waren es die Länder mit hohem Einkommen, in denen Impfstoffe zuerst und breit verfügbar waren, während viele ärmere Länder zunächst leer ausgingen. Auch wird bei weitem nicht allen Menschen ein gesundheitlich unbedenkliches Wohn- und Arbeitsumfeld oder der Zugang zu guter medizinischer Gesundheit zuteil. Der WHO wurde „Gesundheit für alle“ als Grundrecht eines jeden Menschen als Leitmotiv ins Stammbuch – in ihre Satzung von 1948 – geschrieben. Doch verwirklicht ist es noch lange nicht.

„Wir haben vieles, worauf wir stolz sein können, aber auch noch viel zu tun, um unsere Gründungsvision des höchsten erreichbaren Gesundheitsstandards für alle Menschen zu verwirklichen“, sagte WHO-Direktor Ghebreyesus anlässlich des Jubiläums. Insbesondere rief der WHO-Chef politische Entscheidungsträger dazu auf, sich stärker für das Gesundheits- und Pflegepersonal einzusetzen, das bei der Bewältigung von Gesundheits- und Klimakrisen an vorderster Front steht. Es brauche mehr Investitionen in die Bildung und in menschenwürdige Arbeitsplätze im Gesundheitswesen. Der prognostizierte Mangel von zehn Millionen Fachkräften im Gesundheitswesen bis 2030 stellt eine enorme Herausforderung für die Umsetzung der gesundheitsbezogenen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) dar.

Finanzierung: Oft zweckgebunden

Bei der Erfüllung ihres Kernmandats und ihrer erweiterten Aufgaben steht die WHO vor großen – insbesondere finanziellen – Herausforderungen. Die WHO finanziert sich als UN-Sonderorganisation neben Pflichtbeitragen zum Großteil aus freiwilligen, meist programm- und damit zweckgebundenen Beiträgen ihrer Mitglieder sowie anderer Geber, darunter die Privatwirtschaft und Stiftungen wie der Gates-Stiftung. Durch die Einbeziehung von Unternehmen mit gewinnorientierten Interessen besteht die Gefahr von Interessenkonflikten. Auch wird die WHO in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt, zum Beispiel wenn es darum geht, inhaltliche Schwerpunkte festzulegen.

Christina Kamp


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