Vor 50 Jahren, am 18. September 1973, traten die beiden deutschen Staaten, die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) den Vereinten Nationen bei. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie vor dem Hauptgebäude der Vereinten Nationen in New York begrüßte der damalige UN-Generalsekretär Kurt Waldheim beide Staaten als 133. und 134. Mitglied und ließ die Flaggen beider Mitgliedstaaten aufziehen. Für beide Staaten war dies eine Rückkehr in die Völkergemeinschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, für die Vereinten Nationen war es eine Bereicherung ihrer Mitgliedschaft.
Beide Staaten engagierten sich intensiv in zahlreichen UN-Bereichen und so wurde die BRD in den Jahren 1977/1978 sowie 1987/1988 als nichtständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat aufgenommen und die DDR in den Jahren 1980/1981. Die Umbrüche in der Weltpolitik und die deutsche Wiedervereinigung im Oktober 1990 beendeten die Doppelmitgliedschaft und boten der deutschen UN-Politik völlig neue Möglichkeiten.
Der Multilateralismus steht unter Druck – Die UN müssen handeln
Heute steht das wiedervereinigte Deutschland gemeinsam mit den Vereinten Nationen vor zahlreichen Herausforderungen: Armut, Pandemien sowie Umwelt- und Klimakrise bedrohen weltweit die Existenz zahlreicher Menschen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bedeutet eine fundamentale Verletzung der Grundwerte der Weltorganisation und damit der UN-Charta. Zugleich nehmen die geopolitischen Spannungen in der Weltorganisation schon seit Jahren deutlich zu. Der Multilateralismus steht unter Druck. Bemerkbar machen sich diese Herausforderungen auch innerhalb der Strukturen der Vereinten Nationen. So ist der UN-Sicherheitsrat in wichtigen Entscheidungen durch das Vetorecht der ständigen Mitglieder blockiert und das Erreichen eines Konsenses zwischen allen Mitgliedstaaten gestaltet sich zunehmend schwieriger. Das rückt die Fragen in den Vordergrund: Wo stehen die Vereinten Nationen bei der Bewältigung der Krisen und der Gestaltung einer globalen gemeinsamen Zukunft? Welche Rolle kann Deutschland in den Vereinten Nationen vor dem Hintergrund der „Zeitenwende“ einnehmen? Welche Veränderungen sind nötig und wie können UN-Reformen gelingen?
Ein stärkeres Deutschland in den UN?
Wir möchten in diesem Jahr auf die 50-jährige deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen blicken, aber vor allem auch über die Zukunft der deutschen UN-Politik diskutieren.
Die aktuelle Rolle der Bundesrepublik als Ko-Verhandlungsführerin des UN-Zukunftsgipfels (Summit of the Future) zusammen mit Namibia im Jahr 2024 wird die DGVN im besonderen Maße in diesem Jahr in den Blick nehmen.
Die Erwartungen an den UN-Zukunftsgipfel sind hoch. Vom 22. bis 23. September 2024 sollen Vertreterinnen und Vertreter aller UN-Mitgliedstaaten zusammenkommen, um den Multilateralismus wieder zu stärken, um das globale Krisenmanagement effektiver zu gestalten und die Reaktionsfähigkeit der Vereinten Nationen auf globale Schocks zu verbessern.
Außerdem steht auch die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) im Vordergrund der Konferenz. So soll die Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) konkreter gefasst werden. Für Deutschland besteht nun die Chance, sich als Ko-Verhandlungsführer für einen starken Multilateralismus sowie eine erfolgreiche Agenda 2030 einzusetzen. Außerdem kann die Bundesrepublik sich stärker dafür engagieren, auch andere Mitgliedstaaten für potenzielle UN-Reformen zu mobilisieren. Hierbei steht besonders das Vetorecht der ständigen Sicherheitsratsmitglieder im Fokus, das Deutschland schon seit längerem kritisiert. Zurecht bereitet sich infolgedessen Deutschland auf seine Kandidatur als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat für die Jahre 2027/2028 vor, um mehr politische Sichtbarkeit in den UN zu demonstrieren und Verantwortung zu übernehmen.
Die Vorbereitung auf den Zukunftsgipfel
„Unsere gemeinsame Agenda zielt darauf, die Agenda 2030 mit Hochdruck umzusetzen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung im Leben der Menschen überall auf der Welt zu verwirklichen. Denn auf halber Strecke zum Jahr 2030 liegen wir weit zurück“, so UN-Generalsekretär António Guterres. Sein Bericht blickt auf die nächsten 25 Jahre und stellt eine Vision der zukünftigen globalen Zusammenarbeit dar. Um bestimmte Vorschläge aus „Unserer gemeinsamen Agenda“ zu konkretisieren und somit die Vorbereitung auf den UN-Zukunftsgipfel im Jahr 2024 zu unterstützen, hat Guterres auf Ersuchen der Mitgliedstaaten eine Reihe von Kurzdossiers veröffentlicht, die zum Teil bereits in deutscher Sprache verfügbar sind. Neben Jugendbeteiligung und den kommenden Generationen geht es unter anderem auch um den globalen Digitalpakt, die Stärkung der internationalen Reaktion auf komplexe globale Schockereignisse, eine Reform der Fortschrittsmessung, Weltraumthemen, eine Bildungstransformation und die internationale Finanzarchitektur.
Die Jugend setzt ein Zeichen
Auf der DGVN-Jugendkonferenz „Die UN und WIR. Jugend gestaltet globale Zukunft“ in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt kamen am 15. und 16. Juni 2023 rund 300 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren aus ganz Deutschland zusammen, um über die Zukunft Deutschlands in den Vereinten Nationen zu diskutieren.
Basierend auf „Unsere gemeinsame Agenda“, nahmen die Jugendlichen die Themen Gendergerechtigkeit, Digitaler Wandel, Klimakrise und Artenvielfalt, Flucht und Migration, Nachhaltig leben, Bildung und Chancen, Frieden und Sicherheit und Menschenrechte in den Fokus , tauschten sich mit Fachleuten aus und formulierten Forderungen an die Politik. Das Konferenzgeschehen wurde von acht jungen Journalistinnen und Journalisten festgehalten und ist hier zu finden. Eine Fortsetzung der Jugendkonferenz ist noch in diesem Jahr mit einem Jugendtreffen geplant.
Auch auf der Mitgliederversammlung der DGVN am 21. und 22. Oktober 2023 in Bonn wurde das Jahresthema in den Fokus gerückt. Neben den Wahlen eines neuen Bundesvorstands wurde auch eine Resolution zu "50 Jahre deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen: Impulse für eine zukünftige deutsche UN-Politik" verabschiedet.
Weitere Informationen zu Deutschland in den Vereinten Nationen:
Ziemlich beste Freunde: 50 Jahre Deutschland in den UN - Zeitschrift VEREINTE NATIONEN 4/2023
Überblick: Deutschland und die Vereinten Nationen
Deutschland in den Vereinten Nationen (deutschland.de)
Deutschland in der UNO (Auswärtiges Amt)
Interview mit Klaus-Heinrich Standke zu "50 Jahre Mitgliedschaft Deutschlands bei den Vereinten Nationen"